DEAD SHOT
Wucht des Geschosses, das ihm Herz und Lunge zerfetzte.
Kyle hatte keine Zeit zu verlieren, zog das Dragunow zurück und warf es in den Abwasserkanal, der hinter ihm floss. Schnell war er bei der Gullyplatte neben dem Peugeot, hob sie hoch und stemmte sich aus der Öffnung. Dann zog er die Glock mit Schalldämpfer, rannte über die Straße durch das Tor und erreichte den sonnendurchfluteten Innenhof. Sicherheitshalber verpasste er den drei Opfern je einen weiteren Schuss in den Kopf und war auf dem Weg ins Haus.
»Hast du das gesehen? Wer zum Teufel ist das?«, fragte der Mann, der sich den Feldstecher an die Augen presste. »Er hat gerade unseren Verdächtigen erschossen!« Special Agent David Hunt vom Federal Bureau of Investigation war von dem Überraschungsangriff wie vor den Kopf gestoßen und wandte sich verblüfft an Carolyn Walker, eine Agentin aus der Homeland Security. Seit zwei Tagen hatte Carolyn von ihrem Platz aus auf einem kleinen Bildschirm, der draußen mit einer Kamera verbunden war, sämtliche Bewegungen in dem Innenhof aufgenommen und analysiert. Sie und ihr Kollege sowie die CIA waren Teil einer Joint Task Force, die den Auftrag hatte, den Mann zu observieren, den sie für Saladin hielten – den Mann, der für den Anschlag in London verantwortlich war. Sobald Washington grünes Licht gab, würden sie Saladin festnehmen. Der Raum der JTF befand sich im vierten Stock eines Apartmentblocks an einer Straßenecke mit Blick auf Saladins Villa. Von diesem Fenster aus konnte das Team fast das gesamte Grundstück überschauen.
Aber der Todesschütze war wie aus dem Nichts und ohne Vorwarnung aufgetaucht. Nichtsdestoweniger hatte Walker ihn jetzt in der Kamera und zeichnete auf. Sie stellte die Linse scharf auf Kyles Gesicht und überspielte die Aufnahme via USB-Kabel auf die Festplatte des Rechners.
»Hab ihn«, sagte sie. »Was hat der bloß vor? Wir sollten ihn besser aufhalten.«
Dave Hunt warf seinen starken Feldstecher fort. Ein Fremder hatte ihre Mission durchkreuzt, genau im Herzen Frankreichs. »Das können wir nicht, Carolyn. In zehn Minuten werden die französischen Cops hier sein, und dann ist die Hölle los, wenn die uns hier oben entdecken.«
Er stopfte die Ausrüstung in große Taschen mit Reißverschluss und meldete sich beim Büro der Joint Task Force in der amerikanischen Botschaft, um die Kollegen zu warnen. Während Hunt und Walker die Hintertreppe hinuntereilten und in ihren dunklen SUV sprangen, liefen die Telefone heiß. Andere Agenten traten in Aktion und waren froh, endlich etwas zu tun zu haben, anstatt den ganzen Tag im Büro herumsitzen zu müssen.
Schon beim ersten charakteristischen Knall des Dragunow-Scharfschützengewehrs war Juba aufgesprungen und horchte. Mit der Pistole in der Hand drückte er sich an der vorderen Wand entlang und spähte vorsichtig durchs Fenster hinab in den Innenhof. Dort lag Saladin in einer Blutlache am Boden. Nur Augenblicke später wurde eine zweite Kugel abgefeuert, die einem der erfahrenen und handverlesenen Bodyguards den halben Schädel zertrümmerte, dass Blut, Knochensplitter und Hirnmasse nur so spritzten. Juba reckte den Hals, konnte den Scharfschützen jedoch nirgends sehen.
Er hatte keine Zeit zu verlieren! Jeder hätte den Schuss abgeben können, selbst die Franzosen. Und das Haus wurde womöglich in diesem Augenblick von Antiterroreinheiten gestürmt. Es tat nichts zur Sache, wie die Gegner die Adresse oder Saladins Namen herausgefunden hatten. Die Lage hatte sich schlagartig geändert, und Juba musste jetzt seine Haut retten. Er steckte die Pistole in seinen Hosenbund und schlich über den Perserteppich zum Wohnzimmertisch.
Dort riss er die Drucker- und Netzkabel vom Laptop und stopfte den Rechner in die schwarze Tragetasche. Sämtliche Informationen über die tödliche Waffe befanden sich nun in der kleinen Laptoptasche, die unbedingt gerettet werden musste. Draußen fiel ein dritter Schuss, und Juba brauchte nicht aus dem Fenster zu gucken, um zu wissen, dass auch der zweite Bodyguard tot war. Keiner der beiden Leibwächter hatte einen Schuss abgegeben, was bedeutete, dass sie den Scharfschützen nicht gesehen hatten.
Neben dem Tisch stand die Aktentasche aus tiefrotem Leder. Juba riss sie auf, schüttete den Inhalt auf den Teppich und behielt nur die Reisedokumente und einen Stapel amerikanischer Dollar. Dann legte er das Laptop in die Aktentasche und machte sie zu.
Der Raum war übersät von Dokumenten und
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