Dead Souls: Horror (German Edition)
hatte.
Mary stand in der Tür, die in sein Schlafzimmer führte. Wie fast jeden Tag hatte sie sich ihren ärmellosen blauen mit Blumen gemusterten Hausanzug angezogen, ein dazu passendes Stirnband aufgesetzt, das ihre meist grauen Haare zu einer kurzen, flachen Welle zurückzog. In der Hand hielt sie das Buch, das er aus der Bibliothek ausgeliehen hatte, Krieg der Welten von H.G. Wells.
Als er nach Hause gekommen war, hatte er es aus seinem Rucksack geholt und auf das Bett geworfen. Er hatte es dort liegen gelassen, weil er von Judsons Brief abgelenkt worden war. Verdammt .
Er schmunzelte, teils aus Scham, teils aus Gleichgültigkeit.
»Was habe ich dir über das Lesen von diesem … diesem Schund gesagt?« Sie hielt das Buch wie ein Prediger die Bibel. »Wenn du das liest, wird dein Verstand verfaulen, und deine Seele die Schmach des Teufels tragen!«
Es war keine Offenbarung gewesen, dass ihre Reaktion, wenn Mary das Buch fand, mit Engstirnigkeit und Feindseligkeit überladen sein würde. Natürlich war es nicht Johnnys Absicht gewesen, das Buch auf dem Bett liegen zu lassen. Als hätte man seine Telefonnummer am Tatort zurückgelassen , ging ihm durch den Kopf. Im Haus der Petries wiederholte sich die Geschichte irgendwie immer. Heute war keine Ausnahme.
»Mom, wir müssen reden.«
Als er die plötzliche Rötung ihrer Haut bemerkte, dachte er, es wäre möglich, dass das Blut, das ihr in den Kopf gestiegen war, ihre Ohren blockiert hatte und sie nicht hörte, was er gerade gesagt hatte. »Das kommt dorthin, wo es hingehört«, verkündete sie, dann marschierte sie trotzig in die Küche und warf das Buch in den Mülleimer. »Absoluter Müll, der von Leuten gelesen wird, deren Fahrkarten zur Hölle bereits bezahlt sind.«
Jetzt fragte sich Johnny, ob diese ganze Rötung in ihrem Gesicht von einem geplatzten Blutgefäß in ihrem Gehirn stammte – sicherlich wusste sie, dass man eine Strafe zahlen musste, wenn das Buch nicht zurückgebracht wurde. Und Johnny hatte keinen Cent in der Tasche.
Oder?
Es gibt viele Rechtlichkeiten zu besprechen, was diese Situation angeht, aber ich versichere Ihnen, dass der Nachlass von Benjamin Conroy Ihnen vermacht worden ist …
Sie ging einen Schritt auf den Küchentisch zu und legte eine faltige Hand auf die Holzplatte, als versuchte sie, das Gleichgewicht zu halten. Johnny erschien sie merkwürdig zaghaft, trotz ihrer Wut. Er vermutete, dass ihr aggressives Verhalten bei dem Buch als eine Art Deckmantel agierte, um ihre echten Bedenken zu verbergen: Das ungewöhnliche und ziemlich seltsame Verhalten ihres Sohnes. Tatsächlich hatte der sonst kleinlaute Johnny Petrie eine unausgesprochene Wand der Aufmüpfigkeit zwischen ihnen errichtet, und für Mary war das ein steiler Berg, auf den sie noch nie zuvor klettern musste.
Johnny zwang sich wegzuschauen und wollte gerade reden, als Mary sich bewegte und sich auf den Küchenstuhl ihm gegenüber fallen ließ. Sie blickte auf ihre Hände und sagte munter: »Ich war heute bei Doktor Webster, und er hat mir gesagt, dass ich Fortschritte mache. Helen Sampson, du kennst sie aus der Kirche, oder? Sie hat mir erzählt, dass ihre Tochter ebenfalls unter generalisierter Angststörung und leichten Depressionen leidet und dass sie gerade angefangen hat, dieses neue Medikament zu nehmen, das auf den Markt gekommen ist, also hat Doktor Webster es mir verschrieben …«
»Mom …«
Sie verstummte und starrte ihn an. Das Stille zwischen ihnen war bitter und angespannt.
»Wir müssen reden.«
Sie neigte den Kopf und blinzelte: »Johnny … hörst du mir zu? Deiner Mutter geht es nicht gut, und jetzt könnte ich …«
»Ich gehe weg von hier«, unterbrach er sie, die Worte schossen ohne Zweifel und Unsicherheit heraus.
Sie starrte ihn weiter an und hielt an der Heuchelei fest, indem sie erwiderte: »Zur Kirche, nehme ich an? Na ja, solange du zum Abendessen zurück bist. Ich bin bestrebt, dir alles über Helens Tochter zu erzählen. Sie ist Mitglied im St. -Anthony’s-Chor.«
Und dann geschah etwas Unglaubliches. Johnny spürte, wie sein Blut kochte, als wären seine aufgestauten Gefühle nach 18-jähriger mentaler Inhaftierung endlich befreit worden. Er bekam feuchte Augen, und sein Kiefer verkrampfte sich. Und seine Narbe: Sie kribbelte . All diese Gefühle schlossen sich zusammen und bildeten einen brodelnden Zorn in ihm, den er noch nie gespürt hatte. Es fühlte sich verdammt gut an.
Doch so gut sich dieser aufblühende
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