Deadlock
Warshawski hinführen.« Widerwillig erklärte Margolis sich einverstanden. »Das Schiff ist doch sicher nicht das gleiche wie damals, oder?« »Nein, natürlich nicht«, entgegnete Phillips. »Wissen Sie, welches es war?«, fragte ich.
»Keine Ahnung«, sagte Phillips, doch gleichzeitig antwortete Margolis: »Die >Bertha Krupnik<.«
»Ja, Sie könnten Recht haben.« Phillips lächelte gezwungen. »Ich vergesse immer, dass unser Pete sämtliche Routineinformationen geschäftlicher Art aus dem Ärmel schütteln kann.«
»Richtig. Eigentlich hätte die > Lucella Wiesen kommen sollen, doch sie hatte einen Schaden - Wasser in den Frachträumen oder so was -, und man brachte als Ersatz drei alte Kähne an. Die >Bertha< war der letzte. Der Kapitän ist ein guter Freund von mir. Es hat ihm ganz schön zugesetzt, als er von Champs Unfall hörte ... vom Unfall Ihres Vetters, meine ich. Er ist auch Hockeyfan.« »Wo befindet sich die >Bertha Krupnik< im Augenblick?« Margolis schüttelte den Kopf. »Keinen Schimmer. Aber sie gehört Grafalk -fragen Sie doch dort mal nach. Der Dispatcher weiß es bestimmt.« Er zögerte einen Moment. »Vielleicht sollten Sie es auch auf der >Lucella< versuchen. Sie hatte dort drüben festgemacht.« Er wies auf einen ungefähr zweihundert Meter entfernten Kai. »Aus Platzgründen wurde sie zur Reinigung der Frachträume dort rübergebracht. Gestern oder vorgestern ist sie weitergefahren.« Er schüttelte den Kopf. »Aber glauben Sie bloß nicht, dass Ihnen irgendjemand helfen kann. Sie wissen, wie die Leute sind. Hätten sie Ihren Vetter fallen gesehen, so wären sie sofort mit ihrer Aussage zur Stelle gewesen.« Es sei denn, sie hätten sich geschämt, weil sie nichts zu seiner Rettung unternommen haben, dachte ich. »Wo ist Grafalks Büro?« »Wollen Sie tatsächlich dorthin, Miss Warshawski?«, fragte Phillips. »Es wäre sicher unangebracht, da einfach hineinzuschneien, ohne etwas Schriftliches und ohne triftigen Grund.«
»Ich habe etwas Schriftliches.« Ich fischte meine Zulassung als Privatdetektivin aus der Brieftasche. »Unter Berufung auf dieses Dokument habe ich schon einer Menge von Leuten jede Menge Fragen gestellt.«
Seine Miene blieb ausdruckslos, doch er wurde rot bis unter sein hellblondes Haar. »Ich sollte Sie vielleicht begleiten und Sie mit dem richtigen Mann bekannt machen.«
»Wollen Sie mit ihr auch gleich einen Abstecher zur >Lucella< machen, Mister Phillips?«, fragte Margolis.
»Eigentlich nicht. Ich bin ohnedies schon spät dran. Ich muss unbedingt noch einmal in Ihr Büro, Pete, um Rodriguez anzurufen.«
»Mister Phillips«, warf ich ein, »ich komme alleine bestens zurecht. Sie brauchen Ihre Termine nicht durcheinander zu bringen, nur um hier für mich den Fremdenführer zu spielen.«
Es sei kein Problem, versicherte er, er tue es wirklich gern ... Mir fuhr durch den Kopf, dass er vielleicht befürchtete, ich könnte einen Zeugen ausfindig machen, dessen Aussage auf eine Nachlässigkeit der Eudora-Getreideverschiffungs-gesellschaft hindeutete. Auf jeden Fall würde er mir bei Grafalk den Weg ebnen. Also war gegen seine Anwesenheit eigentlich nichts einzuwenden. Er ging weg, um zu telefonieren, und Margolis geleitete mich über eine schmale Eisenstiege hinunter zum Kai. Aus der Nähe sah das Schiff noch vergammelter aus. Dicke Taue, ebenfalls schmutzig und vergammelt, spannten sich zwischen dem Deck und den Pollern auf dem betonierten Kai. Als ich Margolis zum Heck der »O. R. Daley« folgte, bemerkte ich erst, wie stark die Farbe über der Wasserlinie bereits abgeblättert war. Die weiße Aufschrift »O. R. Daley - Grafalk-Dampfschifffahrtslinie, Chicago« war kaum noch zu entziffern. »Ihr Vetter hat vermutlich hier gestanden.« Wir gingen inzwischen nicht mehr auf Beton, sondern auf morschen Holzplanken. »Es war ein ziemlich feuchter Tag. Wir mussten beim Beladen alle paar Stunden Pause machen, die Ladeluken abdecken und darauf warten, dass der Regen nachließ. Wissen Sie - so altes Holz wird bei Nässe recht glitschig. Wenn Champ - Ihr Vetter, meine ich - also, wenn er sich nach vorn gebeugt hat, weil er etwas beobachten wollte, dann könnte er ausgerutscht und ins Wasser gefallen sein. Schließlich hatte er ein kaputtes Bein.« »Was hätte er wohl beobachten wollen?«
»Alles Mögliche. Er war sehr wissbegierig. Interessierte sich einfach für alles, was mit Schiffen und Frachtverkehr zusammenhing. Unter uns gesagt, er ist Phillips ein wenig auf den
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