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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Joggingrunde völlig außer Atem.
    Ich duschte, trank Orangensaft und machte mir frisch gemahlenen Kaffee, dazu ein altes Brötchen mit Käse. Es war halb acht. In drei Stunden wurde ich bei der Eudora zu einem Gespräch mit den Arbeitern erwartet. In der Zwischenzeit konnte ich mir einen Überblick über Champs Besitztümer verschaffen. Bei meinem letzten Besuch hatte ich nach einem Hinweis auf sein seelisches Befinden gesucht; diesmal wollte ich mich auf irgendwelche Anzeichen für ein Verbrechen konzentrieren.
    In Champs Wohnung blieb ich zunächst mal am Fenster stehen und schaute lange über den See. Das Wasser trug weiße Schaumkronen, und über den Horizont bewegte sich ein roter Strich - ein Frachter auf der Fahrt zu den fernen Ufern der Großen Seen. Lange Zeit stand ich da und starrte hinaus. Dann riss ich mich zusammen und ging zum Arbeitszimmer hinüber. Dort bot sich mir ein Bild der Verwüstung: Die Papiere, die ich zu acht ordentlichen Stößen aufgeschichtet zurückgelassen hatte, waren über den ganzen Fußboden verstreut. Schubfächer waren herausgezogen, Bilder von den Wänden gerissen, Sofakissen und Bettzeug in die Ecke geworfen. Ich war so erschlagen, dass ich das Allerscheußlichste erst nach einigen Sekunden wahrnahm. Ein Körper lag zusammengekrümmt hinter dem Schreibtisch. Vorsichtig stieg ich über das Durcheinander hinweg, bemüht, ja nichts zu verändern, um keine Spuren zu verwischen. Der Mann war tot. In seiner Hand hielt er einen Revolver, eine Smith & Wesson, aber er hatte ihn wohl nicht mehr benutzen können. Soweit ich das feststellen konnte, ohne die Lage des Körpers zu verändern, hatte man ihm das Genick gebrochen; Wunden konnte ich nicht entdecken. Behutsam hob ich seinen Kopf ein wenig hoch und blickte in ein unbewegtes Gesicht -das gleiche ausdruckslose Gesicht, das mich vor zwei Tagen in der Eingangshalle angestarrt hatte. Es war der alte Nachtportier. Sanft ließ ich seinen Kopf wieder zu Boden gleiten. Dann stürzte ich in Champs luxuriöses Badezimmer und trank ein Glas Wasser, um meinen rebellierenden Magen wieder zu beruhigen.
    Als ich im Schlafzimmer telefonisch die Polizei verständigen wollte, stellte ich fest, dass auch dieser Raum durchwühlt worden war. Das Gemälde in Rot und Lila hing nicht mehr an seinem Platz, die Zeitschriften lagen auf dem Boden; die Schubladen der polierten Kommode standen offen, Socken und Unterwäsche waren überall verstreut. Ich kontrollierte die restliche Wohnung. Ganz offenkundig hatte jemand nach etwas gesucht. Aber wonach? Der Name des Nachtportiers war Henry Kelvin. Zusammen mit der Polizei kam Mrs Kelvin herauf, eine dunkelhäutige, würdevolle Frau, die ihren Schmerz mit eindrucksvoller Zurückhaltung trug. Die Dienst habenden Polizisten ließen sich nicht davon abbringen, den Fall als gewöhnlichen Einbruch zu behandeln. Champs Tod war ja stadtbekannt.
    Offenbar hatte sich ein Profi die Situation zu Nutze gemacht, und bedauerlicherweise hatte ihn Kelvin mitten in der Arbeit gestört. Obwohl ich immer wieder darauf hinwies, dass keine Wertgegenstände fehlten, behaupteten sie beharrlich, die Eindringlinge seien wahrscheinlich über Kelvins Tod so erschrocken gewesen, dass sie die Flucht ergriffen hätten. Schließlich gab ich es auf.
    Ich rief Margolis an und brachte ihm bei, dass ich später käme, vielleicht erst am folgenden Tag. Gegen Mittag waren die Polizisten mit mir fertig. Sie ließen die Leiche auf einer Trage abtransportieren. Die Wohnung sollte versiegelt bleiben, bis die Spurensicherung abgeschlossen war.
    Ich warf einen letzten Blick auf den Ort des Geschehens. Entweder hatten die Eindringlinge gefunden, wonach sie suchten, oder mein Vetter hatte ein ganz anderes Versteck für die fraglichen Sachen benutzt, oder es gab überhaupt nichts, wonach man hätte suchen können, und sie hatten nur die Nerven verloren. Paige Carrington kam mir in den Sinn. Liebesbriefe? Wie vertraut war sie eigentlich mit Champ gewesen? Ich musste sie unbedingt noch einmal sprechen - auch einige Freunde meines Vetters.
    ,Mrs Kelvin saß steif auf der Kante eines der kuscheligen hellen Sofas in der Halle. Als ich den Aufzug verließ, trat sie auf mich zu. »Ich muss mit Ihnen reden.« Ihre Stimme war hart - die Stimme eines Menschen, der am liebsten geweint hätte, aber zu wütend dazu war.
    »Natürlich, gern. Ich habe ein Büro in der Stadt. Kommen Sie mit?« Sie willigte ein. Schweigend folgte sie mir hinüber zum Delaware Place, wo ich

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