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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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gestellt habe. Selbst wenn Bledsoe ein so schäbiges Institut wie das West Schaumburg Technical College besucht hätte, es wäre kaum ein Grund dafür, ein Weinglas in der bloßen Faust zu zerdrücken.«
    An der Kreuzung I03/Torrence Street hielt Sheridan vor einer Ampel und bog dann rechts ab. »Ich glaube nicht, dass Martin überhaupt eine Schule besucht hat. Er ist in Cleveland aufgewachsen und begann seine Laufbahn als Seemann mit sechzehn - und da hat er bei der Altersangabe geschwindelt. Vielleicht mag er's nicht, wenn ihn ein Absolvent der Northwestern University daran erinnert, dass er Autodidakt ist.«
    Nicht sehr überzeugend - Autodidakten sind im Allgemeinen stolz auf ihre Leistung. »Sagen Sie, woher kommt eigentlich diese Feindseligkeit zwischen ihm und Grafalk?«
    »Das ist leicht zu erklären. Niels betrachtet sich als eine Art Lehnsherr mit seiner Grafalk-Linie. Er ist stinkreich, er besitzt eine Menge weiterer Unternehmen, aber die Schifffahrtslinie ist sein Lieblingskind. Bei ihm angestellt zu sein, ist so, als ginge man eine Bindung fürs Leben ein - wie ein Baronet, der Wilhelm dem Eroberer ewige Treue geschworen hat. Ich kenne mich da aus, ich habe bei Grafalk angefangen. Er war stocksauer, als ich ging. Bei John Bemis, dem Kapitän der >Lucella<, war es das Gleiche. Doch am meisten hat ihn Martins Kündigung getroffen. In seinen Augen war das Hochverrat -vielleicht, weil er mit Martin den besten Dispatcher im gesamten Bereich der Großen Seen verloren hat. Das ist auch der Grund, weshalb Pole Star so gute Geschäfte macht. Martin besitzt eine Art sechsten Sinn. Er weiß genau, wie weit er mit dem Preis heruntergehen kann, damit er der billigste Anbieter ist und trotzdem noch seinen Schnitt macht.« Inzwischen hatten wir den Hof eines weiteren Getreidesilos erreicht, und Sheridan stellte den Wagen hinter einer windschiefen Hütte ab. Auf den Gleisen vor uns wurden vier Selbstentladewagen zum Lastenaufzug manövriert. Wir machten einen Bogen um sie, durchquerten das Erdgeschoss des riesigen Gebäudes und gelangten auf den Kai.
    Die »Lucella« ragte turmhoch über uns auf. Ihr roter Anstrich war glatt und unbeschädigt und ließ die übrigen Schiffe, die ich an diesem Tag gesehen hatte, wie mickrige Schaluppen erscheinen. Ich spürte, wie mein Magen in altbekannter Weise zu rebellieren begann, und schloss kurz die Augen, bevor ich hinter Sheridan die eiserne Leiter an der Bordwand erklomm. Er legte ein forsches Tempo vor, und ich passte mich an, wobei ich versuchte, nicht an die schwarze Tiefe unter mir zu denken, an den unsichtbaren Schiffsrumpf im trüben Wasser und an das Meer, das so lebendig und so bedrohlich ist.
    Wir trafen Kapitän Bemis auf der mahagoniverkleideten Brücke. Durch die Fenster konnte man das weitläufige Deck überblicken. Männer in gelbem Ölzeug spritzten die Frachträume aus.
    Kapitän Bemis war von gedrungener Statur, kaum so groß wie ich. Seine grauen Augen blickten ruhig, und er wirkte sehr ausgeglichen, eine Eigenschaft, die ihm zweifellos bei starkem Seegang zugute kam. Über Sprechfunk bat er seinen Ersten Offizier zu uns herauf; eine gelb gekleidete Gestalt löste sich aus der Gruppe an Deck und verschwand im Ruderhaus.
    »Die Sabotage auf der >Lucella< gibt uns sehr zu denken«, vertraute mir Bemis an. »Wir haben den Tod des jungen Warshawski zutiefst bedauert. Davon abgesehen interessiert uns natürlich, was er auf dem Herzen hatte.« Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich hatte mit Champ monatelang keinen Kontakt... Allerdings hatte ich gehofft, von Ihnen etwas über seine seelische Verfassung zu erfahren.«
    Bemis winkte resigniert ab. »Er wollte mit uns über das Wasser in den Frachträumen reden. Hat Sheridan etwas davon erwähnt? Nun, Warshawski fragte uns, ob wir den Schuldigen gefunden hätten. Ich sagte ja. Er war der Meinung, da sei sehr viel mehr dahinter als die Rache eines verärgerten Matrosen. Er müsse noch ein paar Einzelheiten überprüfen, doch am folgenden Tag wolle er sich mit mir zusammensetzen.«
    Der Erste Offizier betrat die Brücke; Bemis unterbrach seinen Redefluss und machte uns bekannt. Keith Winstein war ein drahtiger, schwarzlockiger junger Mann um die Dreißig.
    »Ich erzähle ihr gerade die Sache mit dem jungen Warshawski«, erklärte Bemis. »Also, Keith und ich warteten an jenem Dienstag bis fünf Uhr hier auf der Brücke auf ihn. Dann erfuhren wir, dass er tödlich verunglückt war.« »Demnach hat ihn von hier aus

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