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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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versprochen hatte, war die Nacht klar, die Luft jedoch überraschend kühl für die Jahreszeit. In Höhe der 103. Straße mündete der Highway in den Dan Ryan Expressway. Jetzt befand ich mich wieder im Stadtgebiet - mit der Dan-Ryan-Hochbahn zu meiner Linken und einer hohen grasbewachsenen Böschung zur Rechten. Die ganze Gegend wirkte sehr großstädtisch und sah friedlich aus, obwohl es hier immer wieder zu nächtlichen Überfällen kam.
    Ich näherte mich der Ausfahrt nahe der Universität von Chicago, als mich ein Knirschen unter der Motorhaube aufschreckte, das sich anhörte, als würde mit einem überdimensionalen Dosenöffner ein Streifen aus dem Motorblock geschnitten. Ich trat hart auf die Bremse, aber der Wagen reagierte nicht. Ich versuchte es erneut - wieder erfolglos. Ich wollte das Fahrzeug zur Ausfahrt steuern, aber das Lenkrad drehte sich leer. Keine Bremsmöglichkeit, keine Lenkung. Im Rückspiegel sah ich die Lichter eines Sattelschleppers auf mich zukommen; rechts von mir fuhr ein LKW. Der Schweiß stand mir auf der Stirn, und mir wurde flau im Magen. Behutsam stieg ich nochmals aufs Bremspedal, und nun spürte ich einen geringen Widerstand. Nur ruhig bleiben, ganz ruhig. Ich schaltete die Warnblinkanlage ein, nahm den Gang heraus und hupte. Der Wagen brach nach rechts aus, ohne dass ich gegensteuern konnte. Unaufhaltsam bewegte ich mich auf den LKW zu. Ich hielt den Atem an. Er wich mir aus, aber der Sattelschlepper kam, laut hupend, rasch näher. »Weich aus, du Schwein!«, schrie ich. Die Nadel meines Tachos war auf fünfzig Kilometer heruntergegangen, der Sattelschlepper hatte mindestens hundertzwanzig drauf. In letzter Sekunde machte er einen Schlenker nach links. Voller Entsetzen hörte ich Glas splittern und einen dumpfen Knall. Ein Wagen wurde vor mir auf die Fahrbahn geschleudert. Ich trat mit voller Kraft auf die Bremse. Vergeblich. Ich konnte nicht anhalten - ich war verloren.
    Als sich der Wagen vor mir überschlug, krümmte ich mich zusammen und hielt die Arme schützend vor mein Gesicht. Wieder ein Krachen. Glas klirrte auf die Fahrbahn. Ich spürte einen heftigen Schlag gegen die Schulter und feuchte Wärme auf meinem Arm. In meinem Kopf explodierte etwas - dann war es totenstill.
    Der Kopf tat mir so weh, dass ich vor Schmerzen die Augen nicht öffnen konnte. Mama sagte, ich hätte die Masern und sei bald wieder gesund. Ich versuchte, ihren Namen zu rufen. Ein gurgelnder Laut drang aus meiner Kehle, und sofort legte sie ihre kühle Hand auf meine. »Sie bewegt sich.«
    Nein, das war nicht Gabriellas Stimme. Sie war ja längst tot. Wenn sie aber tot war, dann konnte ich auch nicht acht Jahre alt sein und die Masern haben. »Die Lenkung«, stöhnte ich und zwang mich, die Augen aufzumachen. Verschwommene weiße Gestalten beugten sich über mich. Helles Licht stach mir in die Augen.
    »Schalten Sie doch das Deckenlicht aus.« Die Frauenstimme kam mir vertraut vor.
    »Lotty?«
    »Ja, Liebchen. Du hast uns ein paar Stunden lang Sorge gemacht, aber jetzt ist alles in Ordnung.«
    »Was ist denn los?« Ich konnte kaum sprechen.
    »Das erzähle ich dir ein andermal. Jetzt musst du schlafen. Du bist hier im Billings-Krankenhaus.«
    In der Universitätsklinik von Chicago also. Ich spürte einen kleinen Stich an der Seite und schlief wieder ein.
    Als ich zum zweiten Mal erwachte, war das Zimmer leer. Meine Kopfschmerzen waren jetzt erträglich. Beim Versuch, mich aufzusetzen, wurde mir vor Schmerzen ganz übel. Schwer atmend legte ich mich wieder zurück. Nach einer Weile öffnete ich abermals die Augen. Mein linker Arm wurde durch eine Vorrichtung nach oben gezogen. Ich starrte ihn abwesend an. Dann ließ ich die Finger meiner rechten Hand über den Arm wandern. Zuerst spürte ich einen dicken Verband und danach Gips. Als ich meine Schulter betastete, tat das so weh, dass ich aufschrie. Entweder war die Schulter ausgerenkt oder gebrochen. Was war da passiert? Ich versuchte mich zu konzentrieren, doch das verschlimmerte meine Kopfschmerzen. Langsam begann mein Gedächtnis wieder zu funktionieren. Mein Auto. Die Bremsen hatten gestreikt. Hatte sich vor mir nicht eine Limousine überschlagen? Ja. An mehr konnte ich mich nicht erinnern, doch ich musste direkt in die Limousine hineingedonnert sein. Ein Glück, dass ich mich angeschnallt hatte. Ob wohl überhaupt jemand in dem anderen Wagen mit dem Leben davongekommen war?
    Allmählich geriet ich in Wut. Ich musste mit der Polizei und mit einigen

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