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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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auch?«
    »Es liegt an diesem Ort«, sagte er. »Hier ist niemand immun.«
    Selbst als er aus dem Fenster blickte, spürte er diese Anziehungskraft, von der er nicht wusste, was es war. Sein bevorzugter Typ Frau sah anders aus.
    »Das ist unangenehm«, sagte Agnes.
    »Ist nur dieser verflixte Stuhl.« Er reizte es wirklich bis zum Gehtnichtmehr aus. Sie sah ihn an, und er schaute auf seine Hände. »Ich kann nicht über Bill reden, nur mit Schwachköpfen und Pferden«, sagte er.
    Als sie wieder sprach, waren ihre Worte so leise, dass Charley sich vorbeugen musste, um etwas zu verstehen. »Ihr Brief kam nachmittags«, sagte sie. »Es war ein Gefühl, als würde ich fallen. Ich bin zweimal in meinem Leben vom Drahtseil gefallen. Es ist anders, als man es sich vorstellt.«
    »Ich bin vom Pferd gefallen«, sagte er. »Einmal.«
    Sie sah ihn an, als würde sie ihn kennen. »Ich weiß, warum Bill Sie mochte«, sagte sie. »Sie haben dafür gesorgt, dass er Mensch blieb.«
    »Ich weiß, warum er Sie mochte.« Und das war die Wahrheit, er spürte es.
    »Wenn man fällt«, sagte sie, »setzt einem das Neue an dieser Erfahrung zu. Es ist eine neue Welt, und nichts aus der anderen Welt kann einen retten. Man ist wieder völlig hilflos, wie ein Baby, man hat Angst vor lauten Geräuschen, und man weiß nicht, was ernst gemeint ist und was nicht, denn man weiß nicht, was das alles bedeutet.«
    Sie starrten einander über die Kaffeekanne hinweg an, und er verstand sie. »So hat es sich angefühlt, Ihren Brief zu lesen«, sagte sie. »Ich hatte nur wenige Monate mit ihm, ich kannte ihn nicht so, wie Sie ihn kannten.«
    »Ein paar Monate könnten fünfzehn Jahre aufwiegen«, sagte er.
    »Nein«, entgegnete sie, »das können sie nicht. Es ist nie über das Stadium des Neuen hinausgekommen. Ich habe Bill geheiratet, und ich habe ihn geliebt …« Sie dachte einen Moment lang nach. »Mehr Liebe habe ich noch nie für jemanden empfunden, aber verstanden habe ich ihn nie. Selbst Sie kenne ich besser. Er hat Dinge in mir gesehen, die ich selbst nicht gesehen habe, aber sein Herz habe ich nie gekannt.« Mit einem Mal fühlte Charley sich wieder unwohl, und er bedauerte, die Flasche im Matsch zurückgelassen zu haben. »Deswegen stelle ich Ihnen alle möglichen Fragen«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie ich sonst herausfinden sollte, was ich verloren habe.«
    Dann schwieg sie, und Charley verstand, dass sie für den Moment genug gesagt hatte. Er strich sich mit den Händen durchs Haar – das war Bills Geste. Er dachte an all das, was er verloren hatte, als Bill starb, und ihm fehlten die Worte, es zu beschreiben. Aber für sie war es wichtig, dass er etwas erklärte.
    »Am Ende geraten die Dinge aus dem Gleichgewicht«, sagte er nach einer Weile. »Anders geht es nicht, so ist der Lauf der Dinge. Am Ende möchte man die Dinge im Gleichgewicht sehen, aber so kommt es nicht.« Er sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. Das hatte er nicht erwartet.
    Und er stand auf, ging quer durchs Zimmer und setzte sich neben sie aufs Bett. Wieder roch er die Seife, ihre frisch gewaschene Haut. Am unteren Rand ihres Halses bemerkte er Altersflecken. Er legte den Arm um sie und hielt sie lange Zeit fest.
    Und er liebte sie wegen all der verpassten Gelegenheiten in seinem Leben.
    Es war acht Uhr am Sonntagmorgen, als Al Swearingen aus dem
Gem Theater
trat und den Jungen sah. Er war größer, als Swearingen ihn in Erinnerung hatte, und älter. Viel älter.
    Der Junge saß auf der Bank vor dem
Bella Union
, er hatte ein Buch in der Hand und trug eine schwarze Jacke, die zu kurz war für seine Arme. Es hatte gerade angefangen zu regnen.
    Der Junge hatte ihn gesehen und schickte sich an, die Straße zu überqueren. Swearingen ging zurück ins
Gem
und verschloss die Tür. Seine Frau stand neben dem Büro, mit einem Taschentuch an der Nase. Er hatte sie kaum geschlagen, und doch hatte sie den ganzen Boden vollgeblutet. Er hatte den Eindruck, dass sie mit jedem Mal leichter blutete.
    »Geh weg, Al«, sagte sie und wich zurück. »Dafür wirst du büßen …«
    Er ging in den Saloon und holte die Gänseflinte hinter der Theke hervor. Sie war kopflastig und so groß wie ein Mann. Dann setzte er sich an einen Pokertisch und legte die Flinte quer über seinen Schoß.
    Seine Frau schnäuzte sich die Nase, obwohl sie wusste, dass es dadurch noch stärker bluten würde. Sie mochte Beweise. »Na los, erschieß mich«, sagte sie.
    Er hielt den Blick fest auf die Tür

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