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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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gerichtet. »Ich werde dich nicht erschießen. Noch nicht.«
    »Ich habe keine Angst vor dir«, sagte sie und ging zurück in den Saal. »Sie werden dich hängen, deshalb hast du Angst davor zu schießen, du willst nicht hängen.«
    Von draußen waren Schritte zu hören, Schritte auf der Veranda, die vor der Tür innehielten. Swearingen hob die Flinte, und seine Frau flüchtete ins Büro und schlug die Tür hinter sich zu. Er hörte sie schreien: »Mörder! Mörder!«
    Als der Junge probierte, die Tür zu öffnen, begann Swearingen zu zittern. Es klopfte drei Mal. Swearingen rührte sich nicht, und es klopfte wieder. »Wir haben geschlossen«, rief er.
    Dann hörte er die Stimme des Jungen, die ganz anders war, als er sie in Erinnerung hatte. Sie klang trocken und hohl, als käme sie aus ferner Vergangenheit. »Ich bin hier«, sagte sie, »im Namen der Bibel der Black Hills.«
    Swearingen bewegte die Waffe, langsam und so lange, bis er am langen Lauf entlang auf die Tür sah. Dann spannte er den Hahn und hörte ihn einrasten. Der Junge klopfte wieder. »Ich habe die böse Seite des Herrn gefunden und ich bin gekommen, um mich ihr zu stellen«, sagte er. Und als er wieder klopfte, drückte Swearingen den Abzug. Er hatte die Gänseflinte noch nie zuvor abgefeuert, sie ging fast von allein los.
    Swearingen hatte ganz hinten auf dem Stuhl gesessen und den Gewehrlauf auf den Tisch gelegt. Er war weder auf den Lärm noch auf den Rückschlag vorbereitet gewesen. Es kam ihm vor, als würden seine Ohren platzen, dann stieg ihm der Rauch in die Nase und er wurde nach hinten geschleudert. Er spürte einen stechenden Schmerz in der Schulter, wie kleine Lichtpunkte in jäher Dunkelheit.
    Er lag mit dem Gesicht nach oben auf dem Boden. Die Luft war explodiert, und kleine Fragmente davon flogen ihm immer noch um die Ohren. Die Lichtpunkte in seiner Schulter sammelten sich, bis sie vollends von ihr Besitz ergriffen.
    Vorsichtig setzte er sich auf, wobei er seinen Körper samt Schulter wie einen zusammenhängenden Teil bewegte, und sah hinüber zur Tür. Die Gänseflinte hatte ein Loch hineingestanzt, knapp zwanzig Zentimeter im Durchmesser, genau in der Mitte. Der Rauch hing über dem Tisch, an dem Swearingen gesessen hatte, und als er jetzt durch ihn hindurchblinzelte, tauchte das Gesicht des Jungen in dem Loch in der Tür auf.
    Er hatte Augen wie ein Pferd bei einem Scheunenbrand, und seine Stimme überschlug sich. »Die Bibel der Black Hills ist hier«, sagte er. Der Kopf des Jungen verschwand, und stattdessen kam sein Arm durch das Loch, tastete nach dem Riegel. Der Arm schien einen Meter lang zu sein.
    Swearingen sprang auf und sah seine Frau, die sich immer noch ein blutiges Taschentuch auf die Nase drückte, während sie durch einen Spalt in der Tür zu seinem Büro linste. »Ich brauche eine Schrot flinte«, rief er.
    Sie lächelte – er sah ihr Lächeln –, dann schloss sie die Tür und verriegelte sie von innen. Er lief nach oben, sein Arm hing dabei nutzlos an seiner Seite, und von dort bis ans Ende des Korridors. Er wartete, lauschte, bis der Junge den Riegel fand. Dann hörte er, wie die Tür geöffnet wurde, und vernahm wieder die Stimme des Jungen. »Der Tag der Abrechnung ist gekommen.«
    Und dann hörte er etwas, das von nun an in seinem Kopf wider-hallen sollte, an jedem einzelnen Tag seines restlichen Lebens. Es war seine Frau. »Er ist nach oben gegangen«, sagte sie.
    Swearingen wartete, bis er den Jungen langsam die Treppe heraufkommen hörte, dann stahl er sich über das hintere Treppenhaus nach unten und durch den Seitenausgang hinaus auf die Straße. Er überquerte die Main Street und lief hinter dem
Bella Union
nach Westen, bis er zu der Hütte kam, in der Boone May schlief. Sie hatte Edmond Colwell gehört, dem ersten Neger in den Black Hills, bis Boone sie ihm weggenommen hatte. Swearingen fand ihn auf einem Messingbett in der Ecke liegend. Das Bett war mehr wert als die ganze Hütte. Boone hatte es aus dem
Gem
geholt.
    Boone May sah nicht gut aus. Seine Nase war rot und stark angeschwollen, seine Stimme schien aus den Nasenlöchern zu kommen. Auf dem Boden neben ihm stand ein Fläschchen
Tutt’s Pills
, und daneben lag ein Löffel mit den Resten von irgendeiner Medizin.
    »Steh auf«, sagte Swearingen.
    Boone May zog sich die Decke bis zum Hals und starrte ihn mit beiden Augen an, so ernst war er. »Mach die Tür zu, oder ich leg dich um.«
    Swearingen schloss die Tür. Boone hustete und spuckte aus.

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