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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Kloeppel
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anrücken.
    Besonders merkwürdig kommt mir auch heute noch die Erotikmesse vor, die einmal jährlich in Bonn stattfindet. Für diese Messe wurden im letzten Jahr in der ganzen Stadt Werbeplakate aufgehängt. An Stoppschildern und neben Ampeln, an denen man vorbeifahren musste, wenn man Kinder zur Schule bringen wollte. Auf den Plakaten war eine Frau in eindeutiger Pose abgebildet.
    Der Sohn einer amerikanischen Freundin fragte: »Mami, was macht die nackte Frau da auf den Postern?« Die älteren Mädchen begnügten sich meist mit dem Kommentar »voll ätzend«. Wie die Jungs im Teenageralter reagierten, kann man sich leicht vorstellen.
    Während die Plakataktion noch in vollem Gange war, besuchte ich mit einigen amerikanischen Müttern und Kindern, die zum ersten Mal in Deutschland waren, ein Fast-Food-Restaurant. Zufällig lag auf der Theke eine Sonderausgabe der Bild -Zeitung. Auf der Titelseite war eine üppig ausgestattete junge Frau ohne Oberbekleidung zu sehen, während neben ihr Hamburger und Pommes frites über den Tresen wanderten.
    Viele Teenie-Jungs in Minnesota wären wahrscheinlich äußerst erfreut darüber, kostenlosen Anatomie-Unterricht beim Erwerb eines Burgers zu erhalten.
    Die amerikanischen Mütter waren eher entsetzt.
    »Mom, was macht die nackte Frau neben unserem Tablett?«
    »Gute Frage«, lautete die Antwort meiner Bekannten, die rasch versuchte, die Kinder von der Theke wegzulotsen.
    Später fragte sie mich, die Möchtegern-Kulturdolmetscherin für verstörte Ausländer bei ihrem ersten Deutschlandbesuch: »Warum legen die dieses Schmuddelblättchen ausgerechnet in einem Laden aus, wo sich ständig Kinder aufhalten? Was denken die sich nur dabei?« Auf diese Frage konnte ich ihr kei-ne Antwort geben. Interessant dabei ist: Wäre ich dort mit deutschen Freundinnen gewesen, hätte ich gar nicht auf diese Zeitung reagiert. Aber in Begleitung meiner amerikanischen Freundinnen und ihrer Kinder, fühlte ich mich fast schon gezwungen, genauso entsetzt zu reagieren wie sie.
    Für mich ist es immer noch gewöhnungsbedürftig, dass man in Deutschland in der Sauna und in Dampfbädern üblicherweise auf Badekleidung verzichtet. Vor allem das oft gehörte Argument, dass es unhygienisch sei, dort Badebekleidung zu tragen, verstehe ich nicht. Mein Badeanzug ist hygienisch, denn schließlich wasche ich ihn regelmäßig. Wie dem auch sei, die meisten Saunagänger begnügen sich mit einem Handtuchzum Adams- beziehungsweise Evakostüm. Man könnte dies als eine Herausforderung für fortgeschrittene Zuwanderer betrachten, mit der ich allerdings überfordert bin.
    Auch die Freizügigkeit in öffentlichen Badeanstalten hat mich schon oft erschreckt. Zum Beispiel, als ich an einem heißen Sommertag mit einem deutschen Ehepaar und unseren Kindern einen Ausflug ins Freibad machte. Wir suchten einen Platz unter einem schattigen Baum und breiteten die Decken auf der Wiese aus. Da ich bereits meinen Badeanzug trug, konnte ich mir den Gang zu den Umkleidekabinen sparen. Ähnliches dachte wohl auch der Familienvater, als er mir den Rücken zudrehte und plötzlich sämtliche Hüllen fallen ließ.
    »Du lieber Himmel!«, schoss es mir durch den Kopf. Ich war fassungslos, mein Gesicht lief rot an, und ich drehte mich rasch weg, während ich verstohlen um mich blickte, um zu sehen, ob uns jemand beobachtete. Gott behüte, dass meine Landsleute oder meine englischen Bekannten mich hier mit einem nackten Mann sahen. Wie hätte ich ihnen das erklären sollen? Wieder einmal blieben alle um mich herum locker, während ich innerlich aufgelöst war und meiner Tochter am liebsten die Augen zugehalten hätte.
    Der ganzen Welt hätte ich am liebsten die Augen zugehalten, als ich eines Tages zufälligerweise in den zweifelhaften Genuss des vielleicht provokantesten Musikclips aller Zeiten – abgesehen von Madonnas Videos – kam. Es hatte den Anschein, als würden bekleidete Menschen Sex miteinander haben, und der Songtext passte zu diesem Konzept. Am meisten störte mich dabei, dass dieser Videoclip aus Amerika kam.
    Wie sollte ich meinen europäischen Freunden glaubhaft von der konservativen Einstellung der Amerikaner erzählen, wenn diese gleichzeitig für die Jugend solche Musikvideos produzierten und in der Welt verbreiteten? Ich war ratlos. Wer war denn nun eine größere Gefahr für die Gesellschaft: mein deutscher Bekannter, der sich unauffällig seine Badehose anzog, oder Videoclips, in denen spärlich bekleidete Tänzer

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