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Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet

Titel: Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Kloeppel
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sich so aufreizend wie möglich bewegten und von Sex sangen?
    In gewisser Weise macht es mich traurig, wenn ich solche Musikvideos mit eindeutigen Hinweisen auf sexuelle Handlungen sehe. Ich kann nicht verstehen, dass es erlaubt ist, sie zu produzieren und zu senden. Vielleicht bin ich wirklich sehr konservativ, aber ich finde, dass die Clips entwürdigend für Frauen sind, indem sie sie lediglich als Objekte darstellen.
    Lange Zeit hielt ich mich für den prüdesten Menschen in ganz Deutschland, bis ich an einem besonders heißen Sommertag einem Taxifahrer begegnete, der mich eines Besseren belehrte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund begann der Fahrer, sich über die Sommerkleidung der Frauen aufzuregen. Ich checkte rasch meine Kleidung, um mich zu vergewissern, dass ich nicht gemeint war. Aber in diesem Moment wurde mir klar, dass eine Kultur der Freizügigkeit nicht von jedem anstandslos akzeptiert wird, ja sogar abstoßend wirken kann. Plötzlich erschien mir meine Prüderie weniger abwegig.
    Die meisten deutschen und europäischen Frauen kleiden sich figurbetonter und gewagter als die amerikanischen. In den USA zieht sich die Damenwelt viel konservativer an, präsentiert längst nicht so viel Haut und favorisiert bequeme Kleidung.
    Als ich mich schon einigermaßen damit abgefunden hatte, dass die Deutschen ein besonders freizügiges Volk sind, machten Peter, Geena und ich einmal einen Wochenendausflug an die niederländische Küste. Nach einer Radtour wollten wir am späten Nachmittag in das Wellenbad unseres Familienhotels gehen.
    Bevor wir die Halle betraten, bemerkten wir an der Glastür eine Notiz mit folgendem Wortlaut: »Liebe Besucher, ab achtzehn Uhr ist das Schwimmen nur ohne Badebekleidung gestattet.«
    Fassungslos machte ich meinen Mann auf den Hinweis aufmerksam: »Honey, hast du das kleine Schild gelesen? Das kann doch nur ein Scherz sein, oder?«
    »Nein«, sagte er, »anscheinend bleibt uns noch eine knappe halbe Stunde, bevor wir uns alle ausziehen müssen!«
    Das hätte sicherlich ein besonderes kulturelles Erlebnis werden können, aber wir hatten für halb sieben schon eine Verabredung zum Abendessen. Zum Glück bekleidet, wie ich erleichtert zur Kenntnis nahm.
    In der Schweiz erlebten wir ebenfalls eine Überraschung. Peter, Geena und ich flogen zunächst nach Zürich, um von dort aus mit einem Leihwagen in die Berge zu fahren. Nachdem wir das Gepäck im Kofferraum verstaut hatten, stieg ich auf der Beifahrerseite ein. Dort lag ein großer Umschlag auf dem Sitz. In der Annahme, es seien Hinweise zu unserem Mietwagen, riss ich den Umschlag auf und zog den Inhalt heraus. Es handelte sich um eine Ausgabe des Playboy .
    Ich fiel aus allen Wolken und rätselte noch lange, warum man so ein Give-away in einen Mietwagen legte. Anscheinend fand der Mietservice, wer einen Wagen mit Allradantrieb miete, müsse ein Mann sein, und wer ein Mann sei, hätte stets Bedarf nach Damen ohne Oberbekleidung.
    Sollte jetzt der Eindruck entstanden sein, dass ich noch immer mit der deutschen Körperkultur auf Kriegsfuß stehe, dann wäre das übertrieben. Im Gegenteil, ich verliere scheinbar immer mehr den Bezug zu meinem eigenen kulturellen Hintergrund. Ich dachte zwar immer, die amerikanischen Maßstäbe wären fest in mir verankert, doch da täuschte ich mich wohl.
    Während eines Sommeraufenthalts in Minnesota besuchten mein Mann und ich mit unserer damals dreijährigen Tochter einen öffentlichen Strand an einem kleinen See. Wir planschten mit Geena im Wasser, bauten Sandburgen und buddelten Löcher. Hinterher war unsere Tochter von Kopf bis Fuß voller Sand. Bevor wir aufbrachen, zog ich Geena den Badeanzug aus und trug sie ins Wasser, um den Sand von ihr abzuspülen.
    Oh je, großer Fehler! Der Bademeister auf seinem Hochsitz hatte mich erspäht und blies in seine Trillerpfeife. Vor Schreck ließ ich fast mein sandiges Kind fallen. Zu meiner großen Verlegenheit zeigte der Mann mit dem Finger auf mich und rief mir zu, dass es nicht erlaubt sei, Kinder nackt im Wasser zu baden. Auf einmal kam ich mir in meinem eigenen Land fremd vor. Scheinbar kannten alle die Regeln, nur ich nicht. Ich kam mir wie eine Gesetzesbrecherin ohne Anstand vor.
    Auch meine alten Schulfreunde in Amerika bemerkten in diesem Jahr, dass ich immer europäischer wurde: Als ich sie an einem heißen Sommertag besuchte, wollten wir uns einen gemütlichen Nachmittag machen, während die Kinder im Planschbecken spielen konnten. Ich hatte

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