Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
Keule.
Ganz ohne Medikamente geht es dann aber doch nicht. Wie alle Eltern mussten auch Peter und ich schnell lernen, dass ein Kleinkind nicht nur viele Besuche beim Kinderarzt, sondern auch in der Apotheke bedeutet. Deutsche Apotheken waren für mich am Anfang eine ganz besondere Erfahrung.
In Amerika gibt es alle möglichen rezeptfreien Medikamente in ganz normalen Drogeriemärkten. Und zwar in frei zugänglichen Regalen, sodass man in Ruhe suchen und dann einfach nehmen kann, was man braucht. Hat ein Kind Fieber oder Husten, dann kann man als Mutter zwischen einem Dutzend verschiedener Säfte auswählen, die in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen zu haben sind. Man sollte nur wissen, ob der kleine Patient zu Hause lieber Kirsch-, Pfirsich- oder Traubengeschmack mag. Die Mütter finden dort immer das passende Medikament, ohne mit einem Apotheker zu reden.
Ich fand es in Deutschland eher lästig, dass ich jemandem erklären musste, was mit meinem Kind los war. Erschwert wurde die Sache dadurch, dass ich ständig neue Vokabeln wie Zäpfchen , Hustenmittel , Juckreiz , fiebersenkendes Mittel , Übelkeit , Erbrechen , Schmerzmittel oder Wundheilsalbe lernen musste. So ein grippaler Infekt war für mich jedes Mal ein gutes Zungenbrecher-Training.
Bei meinen Apotheken-Ausflügen habe ich auch festgestellt, dass verschiedene Geschmacksrichtungen bei Medikamenten für deutsche Kleinkinder uninteressant sein müs-sen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass die Apotheker eigentlich nie wissen, wonach ein Husten- oder Grippemittel schmeckt. Sie sagen sich wohl: Hauptsache, es wirkt!
Diese Erfahrung machte ich, als ich für Geena ein Fiebermittel besorgen wollte.
»Ich kann Ihnen dieses Präparat empfehlen«, sagte die Apothekerin zu mir und stellte eine Schachtel auf den Tresen.
»Okay. Ist das das Einzige, das Sie haben? Gibt es keine Auswahl?«
»Sie haben nach einem Fiebermittel für Kinder gefragt, und hier ist eins. Es hilft sehr gut.«
»Aha. Welchen Geschmack hat es denn? Meine Tochter ist nämlich sehr wählerisch, und sie weigert sich, etwas zu trinken, das nach Lakritze schmeckt.«
»Das weiß ich nicht. Auf der Schachtel steht das nicht drauf.«
Damit wollte ich mich nicht zufriedengeben.
»Können Sie vielleicht mal auf dem Beipackzettel nachsehen?«
Die Apothekerin befolgte meinen Vorschlag und sah sich den Beipackzettel an.
»Hier steht leider nichts von einer Geschmacksrichtung. Aber es ist ein Fiebermittel, so wie Sie es wollten.«
Ich versuchte es ein letztes Mal: »Haben Sie vielleicht einen anderen Sirup mit Geschmack? Meine Tochter ist in diesem Punkt wirklich sehr anspruchsvoll.«
Die Frau hielt mich bestimmt für eine Verrückte, deren Hauptsorge war, ob die Medizin ihrem Kind gut schmeckte, und eine seltsame Mutter.
Was ich – neben der grundsätzlich kompetenten Beratung – sehr an deutschen Apotheken schätze, ist der Lieferservice. Ich habe schon mehrmals erlebt, dass mir eine Apotheke ein Medikament in wenigen Stunden besorgt und sogar nach Hause geliefert hat, wenn sie es nicht vorrätig hatte. Dieser Service ist besonders hilfreich, wenn man ein krankes Kind hat und nicht gut von daheim wegkann.
Damit die Kinder erst gar nicht krank werden, so habe ich als frisch gebackene Mutter in Deutschland gelernt, geht man mit dem Kind mindestens eine Stunde am Tag spazieren. Meine Schwiegermutter machte mir klar: »Das Kind muss an die frische Luft.« Eine Stunde war das tägliche Mindestpensum.
Bewusst wurde mir der Frische-Luft-Druck allerdings erst, als ich hörte, wie mehrere Frauen über eine andere Mutter lästerten, die dieses Soll nicht erfüllte. Wenn ich mich nicht täusche, sollen Babys durch ausgiebige Spaziergänge abgehärtet und an jede Witterung, ja, an das Leben selbst gewöhnt werden.
Ich erfüllte jedenfalls meine Pflicht und ging täglich eine Stunde lang mit Geena spazieren, ob bei Regen oder Sonnenschein. Dabei achtete ich immer darauf, dass ich eine weiche, kuschelige Schaffelldecke für meine Kleine dabeihatte, siewarm genug angezogen war und bei Regen nicht nass wurde. Ich weiß zwar nicht, ob meine Tochter durch die Ausflüge an der frischen Luft abgehärtet wurde, aber dafür verlor ich meinen Schwangerschaftsspeck.
Als Geena alt genug war, brachte ich sie in eine Krabbelgruppe. Anfangs dachte ich, diese Gruppe wäre dazu da, dass die Kinder miteinander spielen können. Aber jeder, der selbst Kinder hat, weiß, dass die Realität anders aussieht.
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