Dear Germany - Dear Germany - Life without a top sheet
der Feueralarm losging, wenn ich mir etwas in der Pfanne brutzelte –, kann ich der Idee, mit der eigenen Küche umzuziehen, durchaus etwas abgewinnen. Statt mit alten verrotteten Holzschränken und einer billigen Resopalarbeitsplatte in hässlichem Grün leben zu müssen, kauft man sich einfach seine Wunschküche, die man bei jedem Umzug mitnimmt. Dann wachsen einem Herd, Geschirrspüler, Ober- und Unterschränke sicherlich ans Herz und werden zu treuen Begleitern. Egal, ob man von Minnesota nach Los Angeles und wieder zurück nach Minnesota oder nach New York zieht. Mag sein, dass die Möbel durch die Umzüge etwas leiden, aber dafür hat man stets seine alten, vertrauten Elektrogeräte und Schränke, in denen es keine vergessenen Backformen gibt, geschweige denn Ungeziefer, das darin nistet. Die Küche als Freund. Warum auch nicht? Es gibt seltsamere Dinge auf dieser Welt.
Hier macht sich jedenfalls niemand Gedanken darüber, wie sonderbar das auf manche Menschen wirken könnte. Eine Landsmännin von mir versuchte einmal, einer Deutschen zu erklären, wie seltsam Amerikanern dieser Brauch erscheint: »Es ist bei uns unvorstellbar, die alte Küche beim Umzug mitzunehmen. Genauso gut könnte man die Toilettenschüssel einpacken.«
Darauf erwiderte die Deutsche: »Aber es ist doch normal, die Küche mitzunehmen, schließlich hat man sie selbst ausgesucht und bezahlt. Die Toilette mitzunehmen ist allerdings geschmacklos.«
Okay. Nur die Küche.
Man kann sich über den Sinn und Unsinn, die ganze Kücheneinrichtung bei jedem Umzug mitzunehmen, streiten, aber im Grunde genommen bin ich beeindruckt. Die deutschen Männer und Frauen müssen eine Menge handwerkliches Geschick besitzen, um Wasserrohre anzuschließen sowie Regale und Küchenschränke zu montieren. Schließlich kann und will sich nicht jeder, der umzieht, einen Fachmann für den Ab- und Aufbau der Küche leisten. Da spart man lieber das Geld und macht es selbst.
Aber nicht nur das: Die Deutschen müssen auch hervorragend ausmessen können. Wenn man mir ein Maßband in dieHand drückt und mich auffordert, die Küchenmöbel zu vermessen, um zu berechnen, wie sie am besten in die neue Wohnung passen, wäre ich keine große Hilfe. Ich kann ja kaum meine eigene Schuhgröße messen. Außerdem frage ich mich, wie man überhaupt eine maßgefertigte Einbauküche in einem anderen Raum unterbringt. Das ist doch, als würde eine Frau mit Kleidergröße vierzig ein Kleid tragen, das zwei Nummern zu klein ist. Passt zwar alles nicht richtig, aber irgendwie wird es eben passend gemacht. Ich denke immer: Wie seltsam für ein Volk, das gerade für seine Genauigkeit bekannt ist.
Manchmal findet man allerdings auch Mietobjekte mit voll eingerichteter Küche, stellte ich fest. Die sind in Deutschland zwar eher selten, aber dann und wann kann man beim Einzug die Küche des Vormieters übernehmen. Gegen Bezahlung, versteht sich.
Ich erfuhr zum ersten Mal von diesem Verfahren, als Peter, damals noch Junggeselle, zurück nach Deutschland zog. Er hat mir irgendwann gesagt, dass er für die Küche einen sogenannten Abstand bezahlen musste, ansonsten hätte der Vormieter die Küche ausgebaut und mitgenommen. Das war für mich schwer verständlich, denn eine Küche gibt es in den USA in jeder Mietwohnung, wie ein Badezimmer mit Dusche und Toilette.
Die Sache mit der Küche fürs Leben ist nicht nur auf Mietobjekte beschränkt, sondern schließt auch Eigenheime ein. Man kann ein kleines Vermögen für ein Haus ausgeben, und dennoch ist nicht unbedingt eine voll eingerichtete Küche im Preis inbegriffen. Die Amerikaner würden sicherlich nahe an einem Herzinfarkt sein, wenn sie den Immobilienmakler sagen hörten: »Hier habe ich ein wunderschönes Objekt mit Blick auf den See für eine Million Dollar. Ich bitte um Ihr Verständnis, dass die Küche etwas kahl ist, aber die Vorbesitzer haben die Einrichtung mitgenommen.«
Nicht nur Küchen, auch Lampen nehmen die Deutschen bei Umzügen mit. Und die Glühbirnen. Das erinnert mich ein bisschen an den Grinch, der sogar noch die letzte Glühbirne vom Weihnachtsbaum in Who-Village abschraubt. Zieht man in Deutschland in eine neue Wohnung oder ein neues Haus, ragen gewöhnlich nackte Drähte aus der Decke. Mit ganz viel Glück hängt noch eine Fassung dran. Ich habe in Dutzenden Mietwohnungen in den USA gewohnt, und eins war immer gleich: Es gab Lampen an der Decke oder an der Wand. Niemand muss dort im Dunkeln einziehen.
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