Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
greifen würde? Für die gibt’s nur Lilah, Lilah, Lilah. Natürlich ruft sie ihn immer an, wenn sie eine Massage braucht, und er kommt angerannt. Meinen Sie, daß sie ihn jemals dafür bezahlt?«
»Nicht?«
»Keinen Cent.« Althea seufzte. »Ich rede wohl zu viel.«
»Meinen Sie, daß Dr. Brecht bei seiner Mutter sein könnte?«
Sie seufzte erneut. »Ich habe nicht gelogen, aber ich habe Ihnen auch nicht die ganze Wahrheit gesagt. Ich weiß nicht, wo er ist, aber ich weiß, daß er nicht auf der Beauty-Farm ist. Und ich habe auch bei ihm zu Hause und bei seiner Mutter angerufen. Es hat sich niemand gemeldet.« Plötzlich wurde sie rot. »Ich hab ihm nicht nachspioniert. Es gab da nur einige geschäftliche Dinge, über die ich mit ihm reden mußte.«
»Was für geschäftliche Dinge?«
»Das ist nicht Sache der Polizei.«
Decker unterbrach seine Fragen einen Augenblick, um ihr zu erklären, daß im Augenblick alles Sache der Polizei war. »Geben Sie mir doch bitte die Adressen und Telefonnummern von Ms. Eversong und Dr. Brecht. Ich könnte sie mir zwar selbst besorgen, aber so würden Sie mir ein bißchen Arbeit abnehmen. Und Zeit könnte in diesem Fall von entscheidender Bedeutung sein.«
»Warum? Was meinen Sie damit?«
»Letzte Nacht hat es einen Zwischenfall im Haus von Dr. Brechts Schwester gegeben.«
»Einen Zwischenfall?«
»Sie wurde überfallen.«
»Mein Gott! Was ist denn pass …«
»Ich weiß, daß Dr. Brecht gestern Abend mit ihr zum Essen verabredet war«, fiel Decker ihr ins Wort. »Nun erzählen Sie mir, daß er heute nicht zur Arbeit erschienen ist. Allmählich frage ich mich, ob ihm nicht vielleicht etwas zugestoßen ist.«
»O mein Gott!«
»Nicht daß ich einen Grund zu der Annahme hätte, daß ihm etwas passiert …«
»O Gott!« Althea zog an ihrem Ohrring. »Ogottogottogott. Selbstverständlich gebe ich Ihnen die Telefonnummern.« Sie riß eine Schublade auf und nahm mit zitternden Händen ein Blatt Papier und einen Stift heraus. »Warum haben Sie mir nicht gleich gesagt, worum es geht?«
Sie beschimpfte ihn. Aber Decker bekam, was er wollte, also hielt er den Mund.
6
Eine winzige Sekunde, um zu entscheiden, wie er sich verhalten sollte. Überrascht, resigniert, empört oder kooperativ, vielleicht sogar freundlich? Nein, freundlich konnte er streichen. Bullen werden mißtrauisch, wenn sich jemand zu sehr anbiedert. Und wenn diese Frau gut war – Kelley hatte sie neugierig genannt –, dann hatte sie vermutlich gehört, wie sein Name über die Lautsprecheranlage ausgerufen wurde, und sich gefragt, was das sollte. Ness wußte, er würde es wahrscheinlich schaffen, sich dumm zu stellen, aber das hier war keine Sprechprobe für den Oscar. Also kompliziere nichts, und paß auf, daß sie nicht mißtrauisch wird. Zumindest war er durch Kelleys Anruf vorbereitet. Keine zitternden Knie und keine schwitzigen Hände.
»Hi«, sagte Ness. »Ich nehm an, Sie sind die Polizistin, da Sie nicht für die Yogastunde angezogen sind.«
Marge stutzte einen Augenblick, überrascht, daß er wußte, wer sie war, und überrascht, wie locker er sich in ihrer Gegenwart verhielt. Die meisten Leute wurden in der Gegenwart von Cops nervös. »Haben Sie gerade mit Ihrer Schwester gesprochen?«
»Yeah. Sie ist völlig ausgerastet. Redete ziemlich wirres Zeug, muß ich gestehen. Irgendwas, daß Lilah überfallen worden wäre und Sie die Sache untersuchen. Wenn Kelley durchdreht, ruft sie nach ihrem großen Bruder. Was ist denn nun passiert?«
»Kann ich mich kurz mit Ihnen unterhalten?«
»Jetzt?«
»Ja, jetzt.«
»Ich hab ungefähr eine halbe Stunde Zeit bis zum nächsten Kurs.« Ness schluckte heftig, trat dann zurück in die Jazzarena und legte seinen Camcorder vorsichtig auf eine Matte. »Ich bin völlig ausgedörrt. Haben Sie was dagegen, wenn ich mir schnell einen Becher Brühe hole? Wir können uns hier drinnen unterhalten. In diesem Hause ist man kaum irgendwo ungestört.«
»Ihre Schwester hat mir erzählt, daß Sie auf dem Gelände wohnen. Wir könnten uns bei Ihnen unterhalten.«
»Nee, das ist zu weit zu laufen. Bin sofort zurück. Halten Sie die Stellung.«
Er war aus der Tür, bevor Marge protestieren konnte. Sie sah sich in der Turnhalle um. An einer Seitenwand lag ein Stapel frischer Handtücher, daneben stand ein großer Wäschekorb mit schmutzigen Handtüchern sowie ein Haufen blauer Übungsmatten. Vor der Spiegelwand stand ein CD-Player auf dem Boden. Da es keine Stühle gab,
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