Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
wie der sich bewegt, vielleicht nicht gerade wie ein Löwe, aber bestimmt wie ein Jaguar. Der hat seinen Körper total unter Kontrolle.«
»Soll ich ihn mir noch mal ansehen?«
»Laß mich erst meine Erkundigungen über ihn beenden.« Marge erzählte Decker von dieser Ms. Betham. »Ich halte dich darüber auf dem laufenden. Mal gucken, ob an der Klage was dran ist.«
»Nichts wie ran, Marge«, sagte Decker. »Ich fahr jetzt ins Krankenhaus, um mit Lilah zu reden.«
Die Tür der Beauty-Farm öffnete sich erneut. Heraus kam ein junges Mädchen mit abgeschnittenen Jeans und einem Trägerhemdehen. Einem Trägerhemdehen, das viel zu klein für ihre Oberweite war. Und sie trug keinen BH. Decker fand, daß er auf diese Details achten müsse, denn ein Sinn für Details schärfte die Beobachtungsgabe – das wichtigste Werkzeug bei der Detektivarbeit.
Marge tippte ihn auf die Schulter. »Sollen wir die Aufgaben tauschen, Pete?«
»Nein.« Deckers Augen wanderten von dem hüpfenden Busen zu Marges Gesicht zurück. »Nein, Detective Dunn, das wäre keine effektive Arbeitsteilung. Du erledigst, was noch auf deiner Liste steht. Ich fahr ins Krankenhaus.«
7
Um zum Sun-Valley-Memorial-Krankenhaus zu kommen, mußte Decker auf dem Freeway gegen die späte Nachmittagssonne nach Westen fahren. Blinzelnd klappte er die Sonnenblende nach unten, die aber auch nicht viel gegen das grelle Licht half. Dann wühlte er im Handschuhfach herum, bis er eine Sonnenbrille fand. Ein billiges Ding – die Gläser waren total verkratzt –, aber immer noch besser, als blind zu fahren.
Vielleicht hatte Lilah ja wenigstens irgendwas unter der Augenbinde hindurch gesehen. Sie war aus einem leichten Material, das zwar mehrfach gefaltet worden war, aber sie hatte nicht ganz eng angelegen. Lilah hätte schon an irgendeiner Seite was erspähen können.
Wenn er Glück hatte.
An der Ausfahrt Branch Street verließ er den Freeway, bog nach links und fuhr eine weitere Meile über Nebenstraßen. Der heftige Wind wirbelte Staub auf, der im Licht des späten Nachmittags wie Goldstaub wirkte.
Die Zweigstelle Foothill des LAPD war für den östlichen Teil des San Fernando Valley zuständig – der letzten ländlichen Bastion von Los Angeles mit Meilen von Weideland. Langsam, aber stetig wurde aber auch dieses Gebiet kommerziell erschlossen, obwohl die Rancher ein stures Volk waren und sich häufig weigerten zu verkaufen, selbst wenn sie dabei richtigen Profit machen konnten. Es waren Menschen, die an ihren Gewohnheiten hingen und – wie Deckers Vater – nicht wüßten, was sie mit dem ganzen Geld tun sollten, wenn sie keine Arbeit mehr hätten, die den Körper fordert und Schwielen an den Händen hinterläßt.
Als er mit dem Plymouth von den Bergen weg auf den Foothill Boulevard bog, veränderte sich die Gegend. Statt offener Felder sah man nun Ziegeleien und Holzgroßhandlungen, Altmetallhändler, Dachdeckereien, Großgärtnereien und riesige Discountläden, die alles zu Schleuderpreisen anboten. Dann schlängelte sich der Boulevard noch ein Stück an großen, unbebauten Parzellen vorbei, bis schließlich das Krankenhaus auftauchte.
Das Sun Valley Memorial – ein dreistöckiges, grün verputztes Gebäude – grenzte an eine Gärtnerei, wo Tagetes und Chrysanthemen in voller Blüte standen. Decker stellte den Wagen auf den halb vollen NUR FÜR NOTFÄLLE gekennzeichneten Parkplatz und legte das Schild POLIZEI IM EINSATZ auf das Armaturenbrett. Dann fuhr er mit dem Aufzug nach oben und stieg im zweiten Stock aus.
Der Besucherbereich war klein und fast leer. Rechts saßen eine Frau und ein Junge im Teenageralter und spielten Karten. Auf der anderen Seite las ein Mann in einer Zeitschrift, und eine ältere Frau lauschte aufmerksam einem Arzt, der immer noch seinen Chirurgenkittel anhatte und leise auf sie einredete. Der Schalter mit dem Hinweis INFORMATION war nicht besetzt.
Decker durchquerte die Eingangshalle und ging dann durch einen langen Flur, bis er die Schwesternstation fand. Dort hielt er einem jungen Mann in weißer Uniform seine Dienstmarke hin.
»Sergeant Decker vom LAPD. Ich hab vorhin mit Dr. Kessler telefoniert, und er hat mir gesagt, ich könnte vorbeikommen, um mit Lilah Brecht zu reden. Sie ist in Zimmer 255.«
Der Mann beugte sich über die Theke und betrachtete die Dienstmarke. »Lilah Brecht …«
»Ja, Lilah Brecht. Sie wurde heute morgen eingeliefert; sie wurde überfallen und verletzt.«
»Lilah Brecht …«, wiederholte
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