Decker & Lazarus 05 - Du sollst nicht luegen
Lilah zum Stall zurückgebracht hatte. Während er erklärte, was passiert war, war Totes’ nußfarbene Haut bleich geworden. Er war sichtlich schockiert gewesen und hatte Angst gehabt.
Trotzdem war Decker noch nicht völlig davon überzeugt, daß der Stallbursche unschuldig war. Abgesehen von Lilah, war er der einzige, der am Morgen dort gewesen war. Natürlich hätte sich jemand einschleichen und die schmutzige Arbeit tun können. Doch Totes war nie weit vom Stall entfernt – er wohnte ja sogar in einer der Boxen – und hätte einen Eindringling bestimmt bemerkt.
Decker sah auf seine Uhr. Zwei Stunden waren seit dem Kamikaze-Akt des Pferdes vergangen, doch die Hitze wirkte sich bereits auf den Kadaver aus. Er machte eine weitere Aufnahme von dem Tier.
Totes und Lilah …
Lilah. Sollte Lilah etwa an ihrem eigenen Pferd herumgedoktert haben?
Aber warum?
Um Aufmerksamkeit zu erregen … vielleicht sogar seine Aufmerksamkeit. Vielleicht hatte es ihr ja gefallen, von ihm gerettet zu werden. Vielleicht war das ja ein törichter Versuch, es noch einmal zu erleben.
Außer, daß sie nicht gewußt hatte, daß er reiten konnte. Und sie hatte wirklich furchtbare Angst gehabt.
Decker hörte Sportschuhe auf dem Boden knirschen. Ein Junge kam in schnellem Tempo auf ihn zugelaufen.
Na prima. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
Der Junge entpuppte sich als Mann von Mitte Zwanzig. Er stoppte so kurz vor dem Felsen ab, daß er beinah dagegen geknallt wäre. Trotz der Hitze schien ihm das Laufen nicht viel auszumachen. Er war zwar verschwitzt, roch aber völlig frisch. Sein Blick fiel auf das tote Pferd.
»Mein Gott, wie ist das denn passiert?«
»Wer sind Sie?« fragte Decker.
»Ach ja, natürlich. Wir sind uns ja noch nicht begegnet.« Der Mann streckte seine Hand aus. »Mike Ness. Ich arbeite für die Beauty-Farm – Aerobic und Gewichtstraining. Ich hab mit Ihrer Kollegin gesprochen … Detective Dunn war das doch, oder?«
»Yeah, war sie.« Decker schüttelte Ness die Hand. Beide musterten sich aufmerksam. »Das heißt, ist sie immer noch.«
Ness’ Gesicht verzog sich langsam zu einem Lächeln. »Sie bemerken aber sofort, wenn man Blödsinn redet. Kommt das von jahrelanger Erfahrung, oder hatten Sie das schon immer?«
»Sie sind echt gut, Mike. Clever, aber arrogant. Das wird noch mal ein böses Ende nehmen.«
Ness zuckte die Achseln. Decker betrachtete sein Gesicht genauer. Dunkle Haare, blaue Augen, ein Schmollmund wie James Dean – ein hübscher Junge, außer daß er sich mal hätte rasieren müssen. Aber vielleicht versuchte er ja ganz bewußt, seinem netten Gesicht eine männlichere Note zu geben. Decker fuhr über seine eigenen Wangen. Er hätte auch eine Rasur vertragen können.
»Wer hat Sie hierher geschickt, Mike?«
»Niemand. Ich wollte nur etwas Gemüse für die Küche ernten. Zucchini. Einige sind schon so richtige Baseballschläger. Die füllen wir und schneiden sie in Scheiben, aber Lilah hat sie lieber klein. Eigentlich sind sie bitter, wenn sie zu klein sind, aber die Gäste stehen auf Minigemüse. Außerdem trocknen wir die Blüten und tun sie in unsere Salate, serviert mit einer kräftigen Vinaigrette. Die haut die Damen regelrecht vom Hocker.«
»Aerobic-Lehrer, Gewichtheber, Gemüsepflücker und kulinarischer Experte. Sie kennen sich ja mit allem aus.«
Decker nahm eine Zigarette aus der Tasche. Noch bevor er sie in den Mund stecken konnte, hielt der junge Mann ihm bereits ein brennendes Streichholz hin. Decker blies es aus.
»Ich kaue nur drauf rum.«
»Versuchen Sie, sich’s abzugewöhnen? Dafür haben wir ein wunderbares Programm in der Beauty-Farm.«
»Sie sind ja richtig übereifrig. Steckt irgendwas für Sie drin, wenn die Chefin plötzlich abnibbelt?«
Ness’ Augen verfinsterten sich. »Kein Scheißcent.«
»Kein Grund, gleich ausfallend zu werden, Mike. Ich hab Ihnen bloß eine Frage gestellt.«
»Hören Sie, wenn Sie und Ihre Partnerin mich nicht mögen, ist das Ihr Problem. Aber ich hab nichts mit dem zu tun, was Lilah zugestoßen ist – nicht mit der Vergewaltigung und auch nicht damit … was auch immer hier passiert ist. Ich liebe Lilah, aber nicht so, wie Sie das meinen …«
»Was meine ich denn?«
»Daß ich sie bloß ficken will.«
»Und wollen Sie?«
»Yeah, aber ich tu’s nicht.«
»Wie bei Ms. Betham …«
»Oh, Mann …« Ness warf die Arme in die Luft und ließ sie dann an der Seite hängen. »Ich bumse nicht mit den Gästen. Ich nicht,
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