Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
sie: »Vielen Dank für Ihr …« Sie schüttelte den Kopf und murmelte auf hebräisch: »Ich weiß das englische Wort nicht.«
»Mitgefühl«, übersetzte Rina.
»Danke für Ihr Mitgefühl«, beendete Tziril ihren Satz.
»Es kommt von Herzen.« Decker legte die Hand auf die Brust.
»Lev.«
»Ich verstehe«, nickte Tziril.
»Ich führe die Ermittlungen im Fall Ihres Sohnes, Mrs. Yalom«, begann Decker. »Ich habe Grund zu der Annahme …« Er hielt inne. Hör auf, wie im Fernsehen zu reden, und komm zur Sache.
»Ihre Enkel werden vermißt. Wissen Sie, wo sie sind?«
Tziril antwortete nicht.
»Verstehen Sie meine Frage?«
»Ja, ich habe verstanden.«
»Ich muß sie finden, Mrs. Yalom«, sagte Decker. »Ich glaube, daß sie in Gefahr sein könnten.«
Tziril sah auf, dann wieder nach unten. »Ich weiß nicht, wo sie sind. Emess, ich weiß es nicht.«
Decker sah ihr forschend ins Gesicht. »Aber sie sind hier gewesen, nicht wahr?«
Wieder wanderten die Augen der Frau durch den ganzen Raum, bis sie schließlich über das Gesicht ihres Mannes glitten. Er lüpfte kaum merklich die Brauen.
Decker sagte: »Ich bin von weither gekommen, Mrs. Yalom, nur um die Jungen zu warnen … um ihnen zu helfen.«
»Sie sind …«
Decker saß wartend auf der Kante seines Klappstuhls. Aber Tziril schwieg. Er sagte: »Ich glaube wirklich, daß ihnen etwas Schlimmes zustoßen könnte. Ich muß sie finden. Verstehen Sie, was ich da sage?«
»Sie sind … irgendwo … hier … in Israel. Aber ich weiß nicht, wo.«
Moshe Yalom schnaubte. So gern Decker auch erklären wollte, daß er auf ihrer Seite war, dazu war jetzt keine Zeit. Zu Tziril sagte er: »Haben Sie vielleicht eine Idee, wo sie sein könnten?«
Tziril machte ein verwirrtes Gesicht. Rina übersetzte.
»Ich habe keine Idee«, beharrte Tziril.
Decker verbarg seine Enttäuschung nur mit Mühe. »Aber sie waren hier. Hier im Haus.«
»Sie sind nicht hier gewesen«, erklärte Tziril.
Der alte Mann sagte: »Nein, Jungen nicht hier. Warum Sie sagen, Jungen Gefahr hier in Israel? Jungen Gefahr in Amerika. In Amerika alles Gefahr.« Er nahm sein Teeglas und murmelte vor sich hin. Decker konnte die Worte Sodom und Gomorrha unterscheiden.
Tziril wiederholte: »Ich weiß nicht, wo meine Enkel sind.«
»Woher wissen Sie dann, daß sie in Israel sind?« drängte Decker.
Tziril legte die Hand an den Hals. Decker erinnerte sich, daß Orit dieselbe Angewohnheit hatte. Dann platzte sie heraus: »Sie haben mich angerufen. Um mir zu sagen …« Tränen begannen ihr über die Wangen zu laufen. Sie fing an, unter erstickten Schluchzern hebräisch zu reden. Rina hörte zu und nickte von Zeit zu Zeit.
Decker wartete und unterdrückte sein Bedürfnis, mit dem Kugelschreiber auf seinen Notizblock zu klopfen. Endlich übersetzte Rina. »Sie haben ein paar Tage nach dem … dem Mord hier angerufen.«
Decker fing an zu schreiben. »Weiter.«
»Sie sagten, sie hätten große Angst. Sie sagten, sie müßten sich verstecken, es seien Leute hinter ihnen her.«
»Was für Leute?« fragte Decker.
»Das haben sie nicht gesagt«, antwortete Tziril. »Ich habe sie gefragt, aber sie sagen mir nicht.«
Rina sprach weiter. »Sie sagten Mrs. Yalom, daß möglicherweise jemand von der Polizei kommen und ihnen – den Großeltern – Fragen stellen würde. Viele, viele Fragen.«
Decker schrieb mit, dann sah er auf. »Frag sie … so diplomatisch wie möglich … ob …« Er lehnte sich im Stuhl zurück und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich versuche herauszufinden, warum die Jungen verstört waren.«
»Du willst wissen, ob sie es getan haben oder nicht?« brachte Rina sein Anliegen auf den Punkt.
»Genau. Sie könnte meine professionelle Absicht als vitiös oder als inkulpatorisch mißverstehen.«
»Entschuldigung, das habe ich nicht verstanden«, sagte Tziril.
Decker hielt inne. Ehrlichkeit ist die beste Strategie … manchmal. Er wandte sich an Tziril. »Es tut mir leid, aber ich muß Ihnen unangenehme Fragen stellen.«
»Ani Mayveenah – ich verstehe. Bitte?«
»Haben sie gesagt, warum sie Angst hatten? Warum die Polizei kommen und Ihnen beiden Fragen stellen könnte?«
Tziril sagte: »Sie hätten doch auch Angst, wenn Ihre Eltern ermordet würden.«
»Ja, ich hätte Angst«, stimmte Decker grimmig zu. »Besonders wenn ich es selber war.«
Tziril fiel die Kinnlade herunter.
»Es tut mir leid, aber ich muß Sie fragen –«
»Sie sind ein schrecklicher,
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