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Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Titel: Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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ebenso der Vater ihrer Religion war wie ihrer eigenen. Aber die anderen? Sie hatten mit der Entstehung des Islam absolut nichts zu tun. Doch die Moslems taten es sechsmal täglich. Sie beteten zu Allah, während Isaak und Rebekka ihnen dabei zuschauten. Ihre Zenotaphe befanden sich direkt in der Moschee.
    Soviel mußte man den Moslems in früheren Zeiten lassen, gab Rina zu. Sie hatten die Schreine nicht nur in hervorragendem Zustand erhalten, sondern auch noch in ihrem eigenen, unverwechselbaren Stil verschönt.
    Es hieß, daß, wenn die Juden unter den Grabmalen grüben und in die Höhle darunter vorstießen – wenn sie tatsächlich bis zu den Gräbern der Patriarchen und Matriarchen gelangten –, der Messias kommen würde. Nach 1967, als Hebron unter israelische Herrschaft kam und die Stadt fortan jedem offen stand, fingen ein paar Juden an zu graben. Die Araber setzten der Entweihung ihrer Moschee sofort ein Ende. Die israelische Regierung unterstützte die Einwohner der Stadt. Der Messias würde eben warten müssen.
    Drinnen war es feucht und modrig, aber kühl. Sofort traf Rina das Jammergeheul eines ältlichen, blinden Bettlers. Wer wußte schon, wie es zu seiner Erblindung gekommen war, aber Rina hatte von einem alten arabischen Brauch gehört. Manche Männer fühlten nach ihrer Hadsch, der Pilgerfahrt nach Mekka, daß danach nichts anderes mehr des Sehens wert war. Deshalb blendeten sie sich freiwillig. Rina fragte sich, ob es vielleicht auch bei diesem Mann so war. Er bettelte unentwegt weiter, die Hand ausgestreckt. Rina fischte in ihrer Tasche herum und ließ einen Schekel in die zittrige, vertrocknete Hand fallen. Die knochigen Finger des Mannes schlossen sich um das Geldstück.
    Der Wachmann sah sie mit bösen Augen an, die signalisierten, daß jetzt keine Zeit für Wohltätigkeit sei. Mach hin.
    Rina holte tief Luft, als sie das Innerste des Mausoleums betrat. Es roch wie ein Komposthaufen mit schweren, vergehenden Pflanzen, so als gäbe der Schrein Gottes eigene Worte wider – denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. Rina schritt durch das Mausoleum und blieb vor dem Schrein von Abraham und Sarah stehen. Sie empfand ein Gefühl innerer Erhebung, als stünde sie der eigenen Geschichte gegenüber. Als blätterte sie in der Erinnerungsmappe ihrer Eltern. Sie dachte an die fünf Bücher Mose, insbesondere an B’raisheet, die Genesis. In gewisser Weise war dieses Buch die Erinnerungsmappe der ersten Juden. Diese Leute waren keine Figuren aus dem Märchen oder mythologische Wesen, sie hatten gelebt, und sie waren gestorben.
    Und nun stand Rina vor ihren Gräbern.
    Jeder Besuch in der Höhle brachte Rina ihren eigenen Wurzeln um so vieles näher. Mit zitternden Händen nahm sie eine Taschenausgabe des Siddur heraus und begann zu beten. Zuerst sprach sie das formelle Gebet – das Schemona Esre. Dann kamen ihre ganz persönlichen Bitten an Gott. Als erstes das Gebet für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Familie. Dann das Gebet für das jüdische Volk. Als letztes kam das Gebet für die Menschheit. Sie betete für jeden. Sie betete um Frieden.
    Als sie fertig war, steckte sie den Siddur wieder ein und drehte sich zu dem Soldat um. »Ich bin fertig.«
    Beide blinzelten, als sie aus dem Schrein heraustraten. Der Soldat wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht und begleitete Rina schnell zu ihrem Auto.
    Auf hebräisch sagte er: »Warten Sie hier. Ich sage der nächsten Gruppe, die nach Jerusalem zurückfährt, daß sie ein Auge auf Sie haben soll.« Er seufzte, er sah abgekämpft und melancholisch aus. »Es tut mir leid, daß es so sein muß. Es tut mir leid, daß es nicht mehr dasselbe Israel ist, das Sie einmal gekannt haben.
    Aber wir müssen uns alle der Realität anpassen. Wenn HaKadosch Baruch Hu eine bessere Idee hat als unser Premierminister, soll er doch selber für das Amt kandidieren.«
    Rina lächelte und bedankte sich bei ihm.
    Der Soldat zog mit seinem Stiefel Schlangenlinien in den staubigen Boden. »Von wo in Amerika kommen Sie?«
    »Los Angeles.«
    »Ich habe einen Vetter in Los Angeles. Micah Golan. Kennen Sie ihn?«
    Rina unterdrückte ein Lachen. In L. A. gab es zirka sechshunderttausend Juden. »Nein, ich fürchte nicht.« Sie tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Es ist eine elende Arbeit hier draußen. Ich entschuldige mich noch einmal, daß ich Ihnen Schwierigkeiten bereite.« Sie bekam einen warmen Gesichtsausdruck. »Danke, daß Sie mich in die Ma’arat

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