Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde
Decker.
Rina trocknete sich die Augen mit einem Tuch aus ihrer Tasche. »Wenn es also ein zufälliger Anschlag war, ist Dov Yalom vielleicht nicht in so großer Gefahr, wie du gedacht hast.«
»Ich glaube, er ist nach wie vor in Gefahr.«
»Ich sage ja nur, daß wir vielleicht noch Zeit haben, um ihn zu finden.«
»Na ja, die Hoffnung ist ein ewig Band der Verwirrung oder so ähnlich.«
Decker drehte den Zündschlüssel um und fuhr los. »Du wirst mich zurücklotsen müssen.«
Rina gab ihm eine Reihe von Anweisungen.
Decker schlug vor: »Wie wär’s, wenn wir ins Hotel zurückgingen und uns für ein Schweinegeld was aufs Zimmer kommen lassen? Wenn sie herausfinden, daß wir Helden sind, geben sie uns vielleicht Rabatt.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen.« Rina sah in den Schoß. »Ein Mann vom Jerusalem Examiner hat mir seine Karte gegeben. Das ist eine englischsprachige Zeitung. Er möchte dich interviewen –«
»Die Sache publik machen und meine Feinde wissen lassen, was ich hier tue? Keine Chance.«
Decker bog in die Haupteinfallstraße nach Tel Aviv ein. Die Nacht war schwarz, die Straßendecke kaum zu erkennen. Er stand fast die ganze Zeit, während sie die Berge hinunterfuhren, auf der Bremse und verfluchte die spärliche Beleuchtung.
»Und was kommt als nächstes?« fragte Rina. »Mal abgesehen vom Essen und einem heißen Bad.«
»Wir werden abwarten müssen, bis Gil Yalom den Schock überwunden hat … wann immer das auch sein mag.« Decker lenkte zur Seite und ließ einen Fiat vorbeischießen. Binnen Sekunden war der Wagen nur noch ein roter Schimmer in der Dunkelheit. Langsam beschleunigte er wieder.
»Da drängelt dich jemand zur Seite, und du kommentierst es nicht mal«, sagte Rina. »Du mußt wirklich erschöpft sein.«
»Da hast du völlig recht.«
Sie fuhren fünf Minuten lang schweigend weiter. Dann sagte Rina: »Möchtest du darüber reden?«
»Mein Hirn ist im Moment nur noch ein Haufen wirrer Zellen. Es paßt alles nicht zusammen, Rina. Elhiani hat immer wieder gesagt, wie dumm es ist, eine Bombe zu benutzen, wenn man eine bestimmte Person umbringen will.«
»Wenn es dir hilft, ich finde, du hast deine Sache sehr gut vertreten, Peter.«
»Danke. Ich freue mich über deine Loyalität. Aber hier geht es nicht ums Ego. Hier geht es um Logik. Wenn ich an seiner Stelle wäre, hätte ich genauso argumentiert wie er. Ein Bombenanschlag ist eine sehr ungezielte Methode, jemanden zu ermorden.«
»Also war es doch nur Zufall, daß wir in der Jeschiwa waren?«
»Nein, nicht ganz.«
»Es war also kein Zufall?«
»Nein, auch nicht ganz.« Decker holte tief Luft und pustete sie behutsam wieder aus. »Ich glaube, die Bombe war für Gil gedacht, aber eher unspezifisch. Wenn sie ihn erwischten, gut. Wenn nicht, auch gut.«
»Das hört sich wirklich merkwürdig an.«
»Dann explodierte diese andere Bombe mitten auf dem Marktplatz von Jerusalem. Irgend jemand will, daß die Aufmerksamkeit sich hier konzentriert … auf Jerusalem.«
»Peter, Jerusalem ist heiß umstritten. Die Araber wollen sich die Stadt unter den Nagel reißen und neu aufteilen. Wir wollen sie als Ganzes und jedermann offenstehend behalten. Schließlich ist es die Hauptstadt unseres Landes. Diese Terroristen werden zu jedem Mittel greifen, wenn sie dadurch ans Ziel kommen.«
Decker antwortete nicht.
»In Jerusalem hat es schon immer viele Terroranschläge gegeben«, sagte Rina.
»Wahrscheinlich denke ich wie ein Cop und nicht wie das Außenministerium«, murmelte Decker. »Ich denke anders. Meine beschränkte Sichtweise ist die: Wenn an einem Ort viel passiert, zieht das die Aufmerksamkeit von anderen Orten ab.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Es bedeutet, wenn du etwas in die Luft sprengen willst, möchtest du, daß die Bombenexperten und die Sprengstoff-Suchhunde und die gesamte Polizei und das gesamte andere Aufgebot so weit wie möglich von deinem Zielobjekt entfernt sind.«
Rina japste. »Du glaubst, diese Bombenanschläge waren nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver?«
»Möglicherweise.«
»Peter, wen wollen die Bombenleger ablenken?«
»Wenn ich das sage, hört es sich unglaublich arrogant an.«
»Dich?«
»Jemand weiß, daß ich hier bin, Rina. Jemand weiß, daß ich nach Gil und Dov Yalom suche. Von dem Augenblick an, als Moti Bernstein dachte, du wärst meine Partnerin, wußte ich, daß uns in der Jeschiwa jemand zuvorgekommen war.«
»Das kann ich erklären«, sagte Rina. »In Or Tora sind
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