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Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde

Titel: Decker & Lazarus 07 - Weder Tag noch Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Lächeln. Rina fand, daß der freundliche Ausdruck mit den faltigen, hellwachen Augen das Gesicht des Rosch Jeschiwa jedes Mal aufleben und ihn jünger wirken ließ als seine achtzig Jahre. Und doch war er inzwischen ein alter Mann geworden. Der Rücken war krumm, die vormals langen, eleganten Finger knorrig und verformt. Aber der große Rabbi hatte noch Feuer in seiner irdischen Hülle. Er war wie üblich makellos gekleidet – dunkler Anzug, weiß gestärktes Hemd und glänzend polierte Schnürschuhe. Auf dem schlohweißen Haar saß ein schicker neuer Homburg.
    Sammy stand aufrecht da, dann merkte er, daß sein Hemd nicht in der Hose saß. Schnell behob er das Problem, um gleich danach festzustellen, daß er keinen Hut auf hatte.
    »Ich habe meinen Hut zu Hause gelassen, Rabbi«, sagte er leise.
    »Ist dir kalt am Kopf, Shmuel?«
    Sammy unterdrückte ein Lächeln. »Nein, Rabbi, ich wollte nur …«
    Schulman legte Sammy die Hände auf die Schultern. »Du bist schon fast zu einem jungen Mann herangewachsen, Shmuli. Wenn du einen Hut tragen möchtest, habe ich bestimmt etwas zu Hause, das dir passen wird.«
    »Danke, Rabbi.«
    »Gern geschehen.« Er ließ seine Augen zu Jacob wandern. »Und du bist auch gewachsen, junger Mann. Es ist schön zu sehen, wie gut und gesund ihr euch entwickelt.« Er legte Shmuel die rechte und Jacob die linke Hand auf den Kopf. Mit geschlossenen Augen sprach er ein Gebet für ihr Wohlergehen.
    Danach machte Rabbi Schulman die Augen wieder auf und lächelte. »Also, was lernt ihr beide? Yonkie zuerst.«
    »Bava Kama.«
    »Das ist ein schweres Messechet für die sechste Klasse.« Schulman wuschelte dem Jungen durch das Haar. »Es ist überhaupt ein schweres Messechet. Ich freue mich, daß eure neue Schule euren Geist ordentlich beansprucht. Und bei dir, Shmuel?«
    Sammy schlug die Augen nieder. »Wir studieren Makot und … Bava Basra. Mit Bava Basra haben wir gerade erst angefangen.«
    »Eine gute Wahl. Ich vermisse euch beide, aber ich kann sehen, daß ihr in fähigen Händen seid.« Er drehte sich zu Rina um und dann wieder zu ihren Söhnen. »Ich bin sicher, daß eure Ima dafür gesorgt hat.«
    Beide Jungen nickten. Der Rosch Jeschiwa sah sich in der Bejss Midrasch um, es interessierte ihn stets, wer auch dann lernte, wenn es nicht gefordert war.
    »Ihr beide scheint lernbegierige Jungen zu sein. Das gibt mir den Glauben an die Schule wieder, die ihr besucht. Aber selbst Gelehrte brauchen etwas im Magen. Geht in den Speiseraum und eßt etwas, danach geht wohin auch immer und trefft eure alten Freunde.«
    Sammy und Jacob sahen sich an.
    »Geht, geht!« Schulman wedelte sie fort. »Ihr werdet morgen noch mehr als genug Zeit haben, um zu lernen.«
    Sammy sagte: »Sollen wir unsere Koffer mitnehmen, Rabbi?«
    Der Rosch Jeschiwa nickte. »Kommt nach dem Abendessen in mein Haus, dann werden wir uns ein wenig auseinander setzen. Danach lesen wir vielleicht noch aus dem Gemara. Ich sehe euch später.«
    Die Jungen nahmen ihre Koffer und flitzten ab, nachdem sie Rina noch ein »Bye« zugerufen hatten. Sie hob zum Abschied ihre rechte Hand.
    Rabbi Schulman bedeutete Rina, ihn zu begleiten. Sie wartete, bis er den Raum verlassen hatte, um sich ihm anzuschließen, hielt sich aber immer einige Schritte hinter ihm. Schulman blieb stehen und winkte sie voran. Da kam Rina eilig an seine Seite. Gemeinsam gingen sie einen langen Flur innerhalb des Gebäudes entlang, bis sie eine Tür erreichten, die nach draußen führte.
    Die Jeschiwa war in den Berghang hineingebaut worden, und rings um das Schulgelände war nach wie vor viel von dem ursprünglichen Terrain erhalten – Felsterrassen mit natürlichem Pflanzenbewuchs und Blumen. Das Gelände selber war mit dem Bulldozer abgetragen und zur Bebauung planiert worden. Zwischen den etwa ein dutzend Gebäuden erstreckten sich grüne Rasenflächen, die von Zementwegen durchzogen wurden. Rina wanderte still neben dem Rabbi her auf eine Gruppe von Wohnhäusern zu.
    Rabbi Schulman und seine Frau wohnten im größten Haus des Traktes. Nicht weil es sein Ego verlangte – obwohl es angemessen gewesen wäre –, sondern weil das Paar ständig Gäste hatte. Sammy und Jacob waren nur zwei der vielen Menschen, die im Haus der Schulmans ein und aus gingen. Das Haus hatte im oberen Stockwerk sechs Schlafräume und unten weder ein Wohnzimmer noch sonst einen Familienraum. Der größte Teil der Grundfläche wurde von einem mit langen, leinenbedeckten Tischen

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