Decker & Lazarus 08 - Doch jeder toetet, was er liebt
hinterlassen.«
Decker schwieg einen Augenblick. »Du machst Witze. Was für eine Nachricht hat er hinterlassen?«
»Wollte sich nur auf deine Aufforderung hin melden.«
»Wann hat er angerufen?«
»Etwa vor fünfundvierzig Minuten.«
Decker ging seine Notizen durch. »Seine Nummer hab ich. Ich erledige das übers Funkgerät.«
Er hängte das Mikro ein und wollte schon Whitman anrufen, da überlegte er es sich anders. Er drehte den Zündschlüssel um und fuhr zu Whitmans Wohnung. Er stellte den Wagen ab, stieg die drei Treppen hinauf und klopfte kräftig an die Tür. Es dauerte einen Moment, dann ging sie auf.
Decker bewahrte einen neutralen Gesichtsausdruck, auch wenn ihm das nicht leicht fiel, denn das Gesicht, das ihm entgegen starrte, war kalt wie das eines Reptils. Er zog Marke und Dienstausweis heraus. »Detective Sergeant Peter Decker vom LAPD. Mordkommission Devonshire. Sind Sie Christopher Whitman?«
»Ja, der bin ich.«
»Danke, dass Sie zurückgerufen haben. Darf ich reinkommen?«
Whitman prüfte immer noch Deckers Legitimation. Als er fertig war, sah er Decker an.
An, kam es Decker in den Sinn, nicht zu mir auf.
Der Junge war nämlich mindestens so groß wie er, aber mit langen, schlaksigen Gliedern. Decker war sicher gut vierzig Pfund schwerer als er. Whitman war gepflegt und sauber und trug ein schwarzes T-Shirt, das er in die Jeans gesteckt hatte. Er sah aus wie ein Model mit dichtem blondem Haar, Gesichtszügen wie gemeißelt und einem kräftigen Kinn. Auf seiner Haut zeigte sich nicht der mindeste Rest von Pubertätsakne. Ein ungewöhnlich gut aussehender Junge, abgesehen von den Augen. An der strahlendblauen Farbe gab es nichts auszusetzen, nur am Ausdruck. Sie hatten keinen.
Whitman sagte. »Sie sind von der Mordkommission?«
»Ja«, sagte Decker. »Kann ich reinkommen?«
Whitman trat zur Seite, Decker ging durch den Flur. Er wollte im Zimmer herumgehen, aber Whitman legte ihn an die Leine. »Setzen Sie sich.« Er zeigte auf ein schwarzes Ledersofa. »Möchten Sie einen Kaffee, Sergeant?«
»Nichts, vielen Dank.«
Decker setzte sich, Whitman ebenfalls.
Der Junge sagte: »Wer ist tot?«
Decker starrte ihn an. Whitman zuckte nicht mit der Wimper. Langsam nahm Decker die Polaroids heraus und legte sie auf den Glastisch. Whitman machte ebenso langsam die Augen zu und gleich wieder auf. Dann ging sein Blick von Deckers Gesicht zu den Schnappschüssen.
Irgendetwas tat sich da in Whitmans Augen. Von Entsetzen über Erregung bis hin zu Erleichterung hätte es alles sein können. Aber seine Gesichtsmuskeln blieben unbeweglich, sodass er schwer zu durchschauen war. Er sah sich die Bilder genau an, schob sie mit dem kleinen Finger auf Sichtweite. Dann sah er auf und wartete.
»Kennst du das Mädchen, Chris?«
Whitman antwortete nicht.
Decker sagte: »Das ist eine einfache Frage, Junge. Ja oder nein, kannst du das Mädchen identifizieren?«
»Das ist Cheryl Diggs.« Whitman hielt inne. »Was ist passiert?«
»Ich hatte gehofft, das könntest du mir sagen«, sagte Decker.
Whitman schwieg.
Decker sagte: »Wo warst du heute Nacht, Chris?«
Whitman stand auf. »Ich brauche eine Zigarette. Ist das in Ordnung?«
»Sicher.«
Der Junge ging zum Küchentresen hinüber, holte ein Päckchen Zigaretten und einen Aschenbecher und kam wieder zurück. Er setzte sich hin und streckte Decker die Zigarettenschachtel hin. Decker schüttelte den Kopf.
»Ich habe nichts dagegen, mit Ihnen zu reden.« Whitman steckte sich die Zigarette an, wedelte das Streichholz in der Luft aus und blies eine Rauchwolke über die Schulter. »Aber ich möchte meinen Anwalt dabeihaben.«
Decker antwortete nicht gleich. »Das ist in Ordnung. Ruf ihn an. Sag ihm, er soll so schnell wie möglich zur Außenstelle Devonshire kommen.«
»Es ist Sonntag. Ich bezweifle, dass ich ihn jetzt erreichen kann.«
»Das weißt du nicht, bevor du es nicht versucht hast.«
»Er wird vor morgen nicht zur Verfügung stehen.«
Decker dachte an die Visitenkarte, die er Whitman an die Tür gesteckt hatte. Darauf stand, dass er von der Mordkommission war. »Du hast ihn schon angerufen, stimmt’s?«
»Er wird vor morgen nicht zur Verfügung stehen.«
»Kein Problem. Wir können dir einen Anwalt stellen, Chris. Das kostet nicht mal was.«
»Danke, aber ich warte auf meinen eigenen Anwalt.«
»Dann wartest du aber im Gefängnis.«
Whitman rieb sich den Nacken. »Wie wär’s damit? Mein Anwalt und ich kommen morgen Nachmittag um fünf
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