Decker & Lazarus 09 - Totengebet
Weile tut, bittet Jesus, ihm zu vergeben, weil er schwul ist.«
»Nein«, wehrte Decker ab. »Bram Sparks tickt anders. Er hat mir gegenüber mal erwähnt, Homosexualität sei keine freiwillig gewählte, sondern eine angeborene Neigung. Sollte er also schwul sein, fühlt er sich möglicherweise gar nicht schuldig.«
»Einspruch!«, widersprach Martinez. »Wir Katholiken fühlen uns sogar schuldig, wenn’s Wetter umschlägt. Vom Kopf her mag Bram wissen, dass homosexuelle Neigungen keine Schuldfrage sind. Aber emotional gesehen, büßt er dafür.«
Zu viele Fragen, für Deckers Geschmack. »Scott, du siehst doch in Berger gern den bösen Buben«, begann er laut. »Also fährst du morgen ins New Chris und fühlst ihm auf den Zahn.«
»Wunderbar.«
»Tom, du magst Waterson und die Biker. Kümmere dich um sie.«
»Mit Vergnügen.«
»Farrell, du übernimmst die Sache mit der Gesundheitsbehörde.«
»Mal sehen, was sich machen lässt, Chef.«
»Gut.« Decker wandte sich an Martinez. »Du nimmst dir morgen den Priester vor. Du bist Katholik. Vielleicht redet er mit dir.«
»Warum machst du das nicht selbst, Chef?«
»Ich kann nicht. Interessenkonflikt. Meine Frau kennt Abram Sparks von früher.«
Fünf Augenpaare waren plötzlich prüfend auf Decker gerichtet.
Er zuckte die Achseln. »Ist nichts Weltbewegendes. Aber sollte der Fall kippen, wäre es verheerend, wenn man mir ein persönliches Interesse nachweisen könnte.«
»Wie gut hat Rina ihn gekannt?«, wollte Marge wissen.
»Ziemlich gut. Damals jedenfalls.«
Alle schwiegen. Martinez fand als Erster die Sprache wieder. »Er wird nicht reden. Er ist Priester.«
»Nicht, dass ich den Burschen verteidigen will«, begann Webster. »Aber falls er Leonard und Decameron umgebracht hat, was war das Motiv?«
»Das müssen wir im schwulen Milieu suchen«, beharrte Martinez. »Die Pornohefte im Safe, der Schlüssel in Decamerons Tasche … was anderes ergibt keinen Sinn.«
»Es war Shockley«, verkündete Oliver. »Logischerweise kommt nur er in Frage.«
»Und wie hat sich der Priester blutige Klamotten geholt?«, fragte Marge.
»Wir drehen uns im Kreis«, sagte Decker. »Erledigen wir den Papierkram und schlafen eine Nacht drüber.« Er stand auf und öffnete seine Bürotür. »Morgen ist wieder ein Tag.«
Im Haus war es dunkel und ruhig. Decker schlich auf Zehenspitzen in die Küche, um sich eine Tasse Tee zu kochen. Einen Moment später kam Rina herein.
»Du hast das Gehör einer Fledermaus«, sagte Decker.
»So was nennt man ›Ehegatten-Echolot‹.« Rina küsste ihn auf die Backe. »Setz dich. Ich koch Tee. Du siehst müde aus.«
»Ich bin fertig!« Decker zog das Jackett aus und zog sich einen Stuhl an den Küchentisch. »Was machen meine Kinder?«
»Hannah schläft, aber die Jungen sind noch auf.«
»Kann ich es wagen, zu ihnen zu gehen? Was meinst du?«
»Hängt davon ab, wie gut du drauf bist.«
»Da hapert’s im Moment ziemlich. Ich warte lieber noch ein bisschen.« Er sah Rina lächelnd an. »Und wie geht es dir?«
Rina lehnte sich gegen die Küchentheke und starrte zur Decke. »Nicht gerade rosig.«
»Du hast es also schon gehört?«
»Ja.«
»Ich kann nicht darüber sprechen.«
»Ich weiß. Ich hatte nicht die Absicht, dich nach Einzelheiten zu fragen.«
»Danke.« Decker knöpfte seinen Kragen auf und lockerte die Krawatte. »Seine Schäfchen halten Mahnwache.«
»Das ist Bram bestimmt nicht recht. Er mag keine Aufmerksamkeit.«
»Vielleicht weiß er es einfach als Aufmunterung zu schätzen.«
Rina blieb stumm.
»Entschuldige.« Decker zögerte. »Wenn du mit mir reden willst … Ich höre gern zu.«
»Was soll das für einen Sinn haben?« Rina biss sich auf die Unterlippe.
»Bist du mir böse?«
»Ich bitte dich, Peter! Natürlich nicht!« Sie setzte sich neben ihn. »Es gibt kaum einen ehrlicheren Menschen als dich.«
»Kaum einen? Befinde ich mich in guter Gesellschaft?«
»Es gibt noch ein paar andere.«
»Wer?«
»Meine Eltern, Rabbi Schulman, mein verstorbener Mann … Bram.«
Decker zögerte erneut. »Na gut.«
Rina kaute auf ihrer Unterlippe. »Warum sollte ich mir also die Mühe machen, dir zu sagen, dass du auf dem Holzweg bist?«
»Ja, warum solltest du?«
»Oder, dass du einen schrecklichen Fehler gemacht hast.«
»Nein, die Mühe solltest du dir wirklich nicht machen.«
Rinas Augen wurden feucht. Sie versuchte das hinter einem Lächeln zu verbergen. Decker nahm ihre Hand. »Ich weiß, es tut weh.
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