Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Titel: Decker & Lazarus 09 - Totengebet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
Bibel sehr wörtlich nahm, war diese Unterscheidung kein Problem.«
    »Soll heißen?«
    »Er hatte nichts gegen Homosexuelle, solange sie sich homosexueller Praktiken enthielten.«
    Decker überlegte. »Ihr Vater diskriminierte Homosexuelle also nicht, solange sie enthaltsam waren?«
    »So ist es.«
    »Dürfte schwierig sein, das durchzuhalten.«
    »Es ist möglich.«
    Decker sagte nichts. Die Miene des Priesters verriet nichts.
    »Entweder Enthaltsamkeit oder Unterdrückung in einer legitimen heterosexuellen Beziehung.«
    »Was beides auf Decameron nicht zutrifft.«
    »Nein.«
    »Und doch hat Ihr Vater ihn als Angestellten geduldet.«
    »Ja.«
    »Hatten Sie je einen Hinweis darauf, dass Ihr Vater Decamerons Seele retten wollte?«
    Ein flüchtiges Lächeln umspielte Brams Lippen. So, als sei der Gedanke zu absurd, ihn in Worte zu kleiden. »Nein, nie. Aber das heißt nicht, dass es nicht die Absicht meines Vaters gewesen ist.« Er sah sich um. »Ich muss zu den Gästen zurück.«
    »Natürlich«, sagte Decker. »Aus purer Neugier, Pater … ist die Vollziehung des sexuellen Aktes und nicht der passive Wunsch das, was die katholische Kirche als Homosexualität verdammt?«
    »Unsere Lehre besagt, dass alle Menschen unser Mitgefühl verdienen. Jeder, und ich meine wirklich jeder, ist in meiner Kirche willkommen. Theologisch gesehen müssen unmoralische Gedanken, egal welcher Art, mit Beichte und Buße geahndet werden.«
    »Obwohl Sie persönlich glauben, dass unmoralische Gedanken durchaus als ein gesundes Abreagieren von inneren Spannungen anzusehen sind.«
    Bram starrte ihn an. »Ah, Sie spielen auf unsere Diskussion von vergangener Nacht an. Ich sollte mich offenbar in meiner Sprache mäßigen. Ganz so war das nicht gemeint, Lieutenant. Als Vertreter der römisch-katholischen Kirche denke ich, es ist ausgesprochen weise, die Gedanken vorwiegend geistigen Dingen zuzuwenden. Ich hatte nur um meines Vaters willen gewisse Überlegungen angestellt. Er erwartete theologische Debatten, wann immer ich anwesend war. Ich habe versucht, ihn nicht zu enttäuschen.«
    Decker nickte und fragte sich, welche Art von Fantasien wohl je Abram, den Priester, umgetrieben haben mochten.
    »Übrigens, Lieutenant«, fuhr der Priester fort, »möchte ich mich für die Bemerkungen meiner Schwester gestern entschuldigen. Eva ist keine Antisemitin. Aber sie macht mit ihrem jüdischen Mann eine schwere Zeit durch. Sie gehört auch zu denjenigen, die nicht genügend differenzieren.«
    »Wie standen Ihre Eltern eigentlich zu Evas Wahl? Ich meine, dass sie einen Juden geheiratet hat?«
    Die Stimme des Priesters klang etwas resigniert. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch dieses Thema vor meiner Mutter nicht ansprechen würden.«
    »Ich habe nicht die Absicht. Deshalb spreche ich ja Sie darauf an.«
    »Wir haben alle unseren Frieden mit unseren Differenzen gemacht.« Er sah auf und suchte Deckers Blick. »Wir sind alle Irrtümern erlegen.«
    »Na, gut«, seufzte Decker. »Dann würde ich jetzt gern Grease Pit kennen lernen, Pater. Tut mir Leid, dass ich Ihre Zeit so lange in Anspruch genommen habe.«
    »Eigentlich haben Sie eine Mitzwa veranstaltet, eine gute Tat vollbracht, indem Sie mich für kurze Zeit abgelenkt haben. Geht es nicht bei der Schiwe, der siebentägigen Trauerarbeit im Judentum, gerade darum?«
    »Sie können Hebräisch«, sagte Decker.
    »Ja, das kann ich.«
    Der Bursche war vermutlich besser in Hebräisch als er. Sah so aus, als beherrschte die ganze Welt es besser als er.
    Decker unterdrückte seine Eifersucht und dachte über das nach, was der Priester gesagt hatte. Es gab Ähnlichkeiten zwischen dieser Veranstaltung und der Schiwe, den erforderlichen sieben Tagen der Trauer. Die trauernde Familie, die Totengewänder, die Besucher, die den Trauernden Worte des Trostes spendeten, selbst die Unmengen von Essen, das mit den Fingern gegessen werden konnte, waren ähnlich.
    Aber es gab auch krasse Unterschiede. So vor allem das Fehlen religiöser Rituale. Das Gebot der Juden verlangte, dass die Trauernden zerrissene Kleidung trugen, sich auf niedrige Schemel oder auf den Fußboden anstatt auf Stühle setzten und Besucher nicht begrüßten. Es war ihnen nicht erlaubt, das Haus zu verlassen, nicht einmal zum Gebet in der Synagoge. Auch Baden war während der Schiwe untersagt. Ebenso wie Rasieren. Alle Spiegel wurden verdeckt, normalerweise mit an den Wänden befestigten Leinentüchern. Und die offizielle Trauerzeit dauerte

Weitere Kostenlose Bücher