Decker & Lazarus 09 - Totengebet
Laden gekommen. Ich dachte, Scheiße, wieder so ein Blödmann. Stellt sich raus, dass der Typ gar kein Blödmann ist. Ich hab ihn gefragt … He, hab ich gesagt, he Granddaddy willst du Samstag mit uns ’ne Spritztour machen? Sollte eigentlich ein Witz sein. Aber er hat zugesagt. Klar, komm ich Samstag mit, hat er gesagt. Und dann hat er die Spritztour mit uns gemacht.«
»Und er war gut.« Polinski fuhr sich mit der Zunge über seine schlechten Vorderzähne. »Seine Kurventechnik war nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand, aber für einen alten Knacker hatte er ein verdammt gutes Gefühl für das Gerät.«
»Hat einer von euch eine Theorie über den Mord?«, wollte Decker wissen.
»Ja, klar«, antwortete Sanchez. »War ’n Arschloch.«
»Ist doch absurd«, sagte Polinski. »Da bringt jemand Granddaddy um. Aus welchem Grund denn? Grease Pit hat Recht. Muss ein Riesenarschloch gewesen sein.«
Sanchez schlug Polinski auf die Schulter, deutete in die Menge. »Wer ist der Kerl da, Sidewinder? Kommt dir der nicht bekannt vor?«
Deckers Blick schweifte in die Richtung, in die Sanchez zeigte. Muskulöse Statur, lockiges schwarzes Haar, blaue Augen. »Das ist Paul Sparks. Einer seiner Söhne.«
Sanchez zog seine Hose hoch. »Mit wem redet er?«
Decker betrachtete den Mann an Pauls Seite. Er war ungefähr sechzig, hatte ein gerötetes Gesicht, war ungefähr einen Meter achtzig groß und hatte einen beachtlichen Rettungsring um die Taille. Weiche Züge, dicke Lippen und eine mit roten Äderchen überzogene Knollennase. Das weiße Haar war kurz geschnitten. Er trug einen grauen Zweireiher mit weißem Hemd und roter Krawatte.
Decker hatte den Eindruck, dass der ältere Mann Paul etwas Wichtiges erklärte. Paul hörte aufmerksam zu und nickte wiederholt. Seine Augenlider waren erstaunlich ruhig und unbeweglich.
»Kommt der dir nicht bekannt vor?«, wiederholte Sanchez.
»Ja, tut er«, stimmte Polinski zu. »Ist offenbar ein Freund von Granddaddy. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass er schon mal mit uns gefahren wäre.«
»Ne, mit uns is der nicht gefahren.«
Die beiden Biker starrten den Mann weiterhin nachdenklich an.
»Ist Granddaddy nicht mal mit ihm im Laden gewesen?«, überlegte Sanchez laut. »Als er sich den Harley-Bagger angesehen hat.«
»Granddaddy hat sich die Harley-Reiseausführung gekauft?«
»Ich weiß, dass er sich mal eine angesehen hat«, erwiderte Sanchez. »Den Ultra-Bagger, die Jubiläumsausgabe. Aber ich glaube nicht, dass er sie gekauft hat.« Und an Decker gewandt: »Das ist ein geiles Gerät, 1340 Kubik, 5000 Umdrehungen, Drehmoment wie ein Traktor, Einspritzer. Fährt Spitze hundertfünfzig, was nicht schlecht ist, wenn man bedenkt, wie viel Scheiß du da mit dir rumschleppst. Ich erinnere mich, dass Granddaddy mit einer Victory Red geliebäugelt hat.«
»Cool«, sagte Decker.
Polinski starrte noch immer den Mann mit der roten Nase an.
»Meinst du, wir sollten mal zu ihm gehen und ihn ansprechen?«
»Und was sagen wir?«
»Keine Ahnung«, seufzte Sanchez. »Wie wär’s mit ›Hallo‹ oder so?«
Polinski fuhr sich erneut mit der Zunge über die Vorderzähne. »Ich weiß nicht mal mehr seinen Namen.«
»Ich doch auch nicht.«
»Ne, ich geh nicht zu ihm«, erklärte Polinski.
»Ich auch nich«, sagte Sanchez. »Dachte nur, dass wir … na, ja … unser Beileid aussprechen sollten.«
»Wir sind hier und haben uns ins Buch eingetragen«, entgegnete Polinski. »Das reicht. Weißt du was? Ich hab genug. Machen wir, dass wir wegkommen.«
»Yeah, gute Idee.« Sanchez wandte sich wieder an Decker. »Sie vergessen nich, was ich Ihnen gesagt habe, ja?«
»Wenn Sie nicht vergessen, was ich Ihnen gesagt habe.«
»Was hab ich da versäumt?«, wollte Polinski wissen.
»Ich hatte Mr. Sanchez lediglich erklärt, dass Lynchjustiz gegen das Gesetz verstößt.«
Polinski machte eine wegwerfende Handbewegung. »Er ist gefrustet. Sind wir alle. Zu viele Steuergelder werden für Psychos rausgeschmissen. Zu viele Gesetze engen die Freiheit der Wahl ein. Die Regierung sollte Kriminelle schnappen, echte Kriminelle. Nicht diesen Schrott verabschieden, den die Polizei sowieso nicht durchsetzen kann. Ich meine den Drogenkrieg zum Beispiel. So eine Verschwendung von Steuergeldern. Nicht dass ich sage, dass Drogen gut sind. Ich sage nur, der Drogenkrieg ist Geldverschwendung. Kein Wunder, dass die Leute durchdrehen und was hochgehen lassen.«
»Weil’s sinnlos ist«, bemerkte
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