Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
natürlich nicht. Gush liegt zwanzig Minuten von Jerusalem entfernt auf dieser neuen kfeesh, die an …«
»Was ist eine kfeesh ?«, fragte Decker.
»Eine Straße«, sagte Rina. »Vor drei Jahren haben sie die Tunnelstraße gebaut, die einige der palästinensischen Dörfer umgeht.«
»Die Tunnelstraße? «, fragte Decker.
Rina nickte. »Sie haben zwei Tunnel unter den Hügeln hindurch gegraben.«
»Warum Tunnel?«
»Ich nehme an, es war einfacher, den Berg zu untertunneln, als die Straße drüber weg zu bauen. Die Straße umgeht Bethlehem.«
»Das ist der größte Unruheherd«, fügte Sammy hinzu.
»Sammy, die ganze Gegend ist ein einziger Unruheherd.« Decker konnte nur daran denken, wie einfach es war, einen Tunnel zu zerstören. »Du sitzt da mitten im Palästinensergebiet.«
»Gush liegt nicht in der Mitte von irgendwas«, gab Sammy zurück. »Es ist ein eigener Ort. Den gibt es schon seit … wie vielen Jahren, Ima?«
»Ungefähr dreißig.«
»Dad, das ist kein Camp mit Zelten und Schlafsäcken, wie die Zeitungen behaupten. Da gibt es Märkte und Schulen und Häuser …«
»Wie viele Juden leben da und wie viele Palästinenser?«
»Dad …«
»Es geht mir nicht um Politik, Sammy. Ich spreche von Zahlen, Bevölkerungszahlen. Und die Palästinenser sind weit in der Überzahl. Jedes Mal, wenn einer unserer Präsidenten hier zu Hause Schwierigkeiten kriegt, verlegt er sich auf die Außenpolitik. Was ihn gewöhnlich auf den Nahen Osten bringt und auf einen neuen Friedensplan. Und jedes Mal, wenn Amerika mit einem Friedensplan hausieren geht, regt sich irgendjemand da drüben furchtbar auf. Mir ist nicht wohl dabei, dich – meinen Sohn, den ich sehr liebe – mitten in der Gefahrenzone zu wissen.«
»Es ist nicht gefährlich!«, beharrte Sammy.
»Wieso? Nur weil ein paar Halbwüchsige, die sich für unsterblich halten, das behaupten?«, sagte Decker. »Vielleicht bin ich nur ein dämlicher Amerikaner, der daran glaubt, dass es ein Krisenherd ist, wie die Zeitungen behaupten. Vielleicht lieben die Palästinenser uns wirklich und wollen den Frieden und helfen dir mit Freuden, wenn dir nachts um drei das Auto kaputtgeht.«
»Hier nachts um drei eine Autopanne zu haben, ist genauso gefährlich«, rief Sammy.
»Der Unterschied ist nur, dass du hier anrufen kannst. Wen wirst du da drüben anrufen, Sammy?«
Sammy sackte in sich zusammen. Schweigen senkte sich über den Raum. Schließlich sagte er: »Abba war dort.«
Das Schweigen dehnte sich. Dann sagte Decker: »Ich weiß. Glaubst du, er würde wollen, dass du dein Leben in Gefahr bringst?«
»Mein Leben wird nicht in Gefahr sein! Du übertreibst. Wie immer!«
Decker wollte etwas sagen, hielt sich aber zurück. »Na gut, Sammy. Du hast mich nach meiner Meinung gefragt. Du weißt, wie ich darüber denke. Wenn ich zu entscheiden hätte, würdest du direkt auf die Jeschiwa-Universität gehen.«
»Ich hab dir doch gesagt, dass mir mein Jahr in Israel angerechnet wird.«
Decker biss sich auf die Lippe. »Ich halte mich da raus. Es ist deine Entscheidung.«
»Gut, dann gehe ich nach Gush.«
Decker zuckte die Schultern. »Kann ich dich noch etwas fragen?«
»Was?«
»Wenn es Gush nicht gäbe, wohin würdest du dann gehen?«
»Kerem b’Yavneh«, sagte Rina. »Shalavim.«
Decker sah Rina an. »Sind das schlechte Orte?«
»Schlecht?«
»In gefährlichen Gebieten?«
»Sie sind diesseits der grünen Grenze.«
»Und sind es gute Jeschiwas?«
»Hervorragende.«
»So gut wie Gush?«
»Auf jeden Fall«, erwiderte Rina.
Decker blickte Sammy an, ohne etwas zu sagen. Der Junge warf die Hände hoch. »Wenn du mir verbietest, nach Gush zu gehen, würde ich mich wahrscheinlich für Shalavim entscheiden.«
»Geht David nicht nach Shalavim?«, fragte Rina.
»Ich muss doch nicht alles machen, was David macht, Ima. Wir sind keine siamesischen Zwillinge.«
»Ich meinte doch nur …«
»Hört zu, ihr entscheidet«, explodierte Sammy. »Schließlich bezahlt ihr ja auch.« Er stand auf. »Ich geh Yonkie ablösen. Damit der gute Sohn sein Essen bekommt.« Er stapfte hinaus.
Schweigen machte sich breit. Dann flüsterte Decker: »Wo hat er denn diese Guter-Sohn-, Schlechter-Sohn-Idee her?«
»Wahrscheinlich fühlt er sich wie ein schlechter Sohn – sowohl dir als auch Yitzhak gegenüber«, flüsterte Rina zurück. »Er möchte, dass du die Entscheidung für ihn triffst.«
»Das werde ich nicht tun. Ich hab gesagt, was ich zu sagen habe. Alles andere liegt bei
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