Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
Jupiter war sehr müde.«
»Er kommt gern her.«
»Ja, das tut er.«
»Er sitzt immer da drüben.« Benton zeigte auf eine unsichtbare Stelle in der Dunkelheit. »Da guckt er dann. Sie wissen schon, mit dem Tellerskop. Manchmal darf ich auch durchgucken. Da sieht man so Sachen, ganz nah … so Zeug, was man nur mit’n Augen gar nich sehn kann.«
»Ich weiß. Interessant, nicht wahr?« Mit einem Ruck zog Pluto die Axt aus dem Baumstumpf und reichte sie Benton. »Ich will dich nicht von deiner Arbeit abhalten.«
Benton nickte, öffnete einen Käfig und zog ein flatterndes Huhn heraus. Die Henne pickte nach Bentons schwieligen Fingern. Falls er es spürte, zeigte er es nicht. »Die hier is schön fett. Gibt ’ne Menge Fleisch.«
»Das ist gut, wir haben viele Münder zu füttern.«
»Yo, Oliver«, schrie Marge über das Gegacker der Hühner hinweg. »Scott, hörst du mich?«
»Ich hör dich«, rief Oliver zurück.
»Wo bist du?«
»Hinter den Hühnerställen.«
»Komm rüber zum Haus«, brüllte Marge. »Ich fürchte, wir haben ein Problem.«
18
Nur jetzt, wo Lyra zu einem jungen Mädchen heranwächst, spielen sie sich plötzlich auf …
Die Farranders bestimmt nicht.
Ein vermisstes Kind und Drohbriefe, aber von wem?
Gegen sieben bog Decker in seine Einfahrt.
Entweder waren die Drohbriefe reine Erfindung, oder jemand anderer war hinter Lyra her. Aber wen hatte sie sonst noch? Einen unbekannten Vater, keine Geschwister, apathische und desinteressierte Großeltern … irgendwas stimmte da nicht.
Er stellte den Motor ab und stieg aus.
Es wäre nett gewesen, heiß zu duschen, zu essen und dann ins Bett zu gehen. Stattdessen musste Decker jetzt Vater sein. Kein Vater wie Emil Euler Ganz – ungebunden, egoistisch, großspurig und verantwortungslos. Oder wie Herbert Farrander, der seine Tochter abschrieb, als wäre sie eine Schuldenlast. Nein, er musste der gute Vater sein, der Fernseh-Dad-verständnisvoll, weise, streng, fröhlich, kindlich, ohne kindisch zu sein. Und er musste diese Rolle spielen, auch wenn er ständig an ein entführtes Kind und ein vermisstes Mädchen denken musste, das kaum älter war als seine halbwüchsigen Söhne und nur wenig jünger als seine Tochter Cindy, und dazu an Hunderte von Männern, Frauen und Kindern, deren Leben in der Hand einiger labiler Individuen lag, die die Stabilität eines Hologramms besaßen.
An der Tür begrüßte ihn Rina mit Hannah und der Zeitung. Sie küsste ihn auf die Wange. »Schön, dass du da bist. Wie fühlst du dich?«
»Erledigt.« Er hielt die zusammengefaltete Zeitung hoch. »Was ist damit?«
»Sieh dir Seite vierzehn an.«
»Was steht auf Seite vierzehn?« Irgendwie war es Hannah gelungen, auf seinen Rücken zu klettern und sich wie ein Klammeraffe an seinen Hals zu hängen.
»Leserbriefe«, sagte Rina. »Gestern war ein Nachruf auf den Großen Ganzby, den Wissenschaftler, drin. Heute wird deutlich, dass er nicht von allen betrauert wird, wenn man den Leserbriefen glauben kann. Hannah, du erstickst ihn ja.«
Decker schwenkte die Kleine nach vorne in seine Arme. Sie schlang ihre dünnen Beine um seine Taille. »Mein Dadiiiiiie. Ich liebe meinen Dadiiiiiiie!«
»Ich liebe meine Hannah Rosiiiiiiie!« Er blätterte durch die Zeitung, so gut es ging, suchte Seite vierzehn. Hannah schlug mit der Faust dagegen und zerriss eine Seite. »Hannah!«, bellte Decker gereizt.
Sofort streckte die Kleine die Arme nach Rina aus. Sie nahm ihm das Kind ab. »Lass Daddy sich erst mal umziehen.«
»Danke.« Decker hob die zerrissene Zeitung auf und ging ins Badezimmer.
Es gab drei Briefe, einer milde in seiner Missbilligung, der zweite hitziger und der dritte vernichtend:
Epistel Nummer eins:
Emil Euler Ganz mag einmal eine Leuchte der Wissenschaft und der Kosmologie gewesen sein. Aber das ist lange her, und jetzt ist ein Mann namens Jupiter gestorben. Dieser Mann war nichts als ein zweitklassiger Schmierenkomödiant, der arme Irre um ihr Geld betrogen und verwässertes, pseudowissenschaftliches Geschwafel von sich gegeben hat. Nach einer Umfrage unter meinen Kollegen kann ich Ihnen versichern, dass der Guru Ganz niemandem fehlen wird.
Dr. Kevin Doss, Ph.D.
UCSD, Naturwissenschaftliche Fakultät
San Diego, Kalifornien
Der zweite Brief:
Ich weiß nicht, warum die Gesellschaft es für nötig hält, Männer und Frauen zu rühmen, nur weil sie Talent besaßen, selbst wenn es ein bemerkenswertes Talent war. Ein Beispiel dafür
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