Defcon One 01 - Angriff auf Amerika
fordern Gerechtigkeit. Wir fordern die Entlassung der unterjochten Völker in die Freiheit. Wir läuten das Zeitalter der Jamahiriya ein, das Zeitalter der Massen. Wir fordern die Diktatoren der Welt auf, zurückzutreten. Wir fordern die kommunistischen Steinzeitregime zur Aufgabe auf. Wir fordern die Chancengleichheit für alle Menschen und ein Ende der Armut.«
Was für ein Wirrkopf , dachte Adamski und schob eine Cohiba schweren Herzens von einem Mundwinkel in den anderen, um sich an das selbst auferlegte Rauchverbot im firmeneigenen Jet zu halten.
Dann sah er, wie Tracy unterbrach und noch einmal nachlesen musste, was auf dem Papier geschrieben stand. Ein etwas ratloser Blick verriet ihre Unsicherheit angesichts der folgenden Sätze. Erneut schob sich die Waffe ins Bild, wobei das Ende des Laufs in den blonden Haaren untertauchte. Durch den ausgeübten Druck knickte der Kopf leicht zur Seite und die Astronautin musste sofort gegen die Schwerelosigkeit ankämpfen. Sie griff mit einer Hand nach vorne und hielt sich an etwas fest, was der Zuschauer nicht sehen konnte. Schließlich sprach sie weiter und kam damit zu den eigentlichen Forderungen der Terroristen.
»Der Reichtum der Industriestaaten ist auf der Armut der Entwicklungsländer begründet. Während ein Viertel der Weltbevölkerung in Überfluss lebt, kämpft ein weiteres Viertel einen aussichtslosen Kampf um das tägliche Überleben. Nach Angaben der Weltbank müssen mehr als eine Milliarde Menschen tagtäglich mit nicht mehr als einem US-Dollar ihr Dasein fristen. Eine Milliarde Menschen! Beim Millenniumgipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2000 wurde der Entschluss gefasst, diese Zahl bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Doch sieht man sich die Realität an, so ist dies nur ein Lippenbekenntnis. Während geredet und geredet wird und sich die Kulturen, Religionen und Ideologien gegenseitig das Leben zur Hölle machen, stirbt alle fünf Sekunden ein Kind an Unterernährung. Täglich sind es mehr als einhunderttausend Menschen, jährlich dreißig Millionen Menschen. Führen Sie sich diese große Zahl vor Augen! Die ärmsten der Armen haben keine Lobby, und um die ausgenutzten und ausgeplünderten Staaten, die nahezu ausnahmslos in Afrika und in Teilen von Asien liegen, scheren sich die Industrienationen einen Dreck. Sie beuten die Rohstoffe aus und sorgen für desaströse und destabilisierende Verhältnisse in diesen Ländern. Marionettenregierungen sorgen dafür, dass Bürgerkriege, Korruption, ungleiche Einkommensverteilung, Bildungsrückstand und Resignation die Norm sind. Raffgierig ziehen die reichen Staaten dieser Welt über einen geschundenen Kontinent wie Afrika hinweg und holen sich die Bodenschätze, während nur das Chaos zurückbleibt. In vielen Teilen Asiens werden kleine Kinder zur Arbeit und Frauen zur Prostitution gezwungen. Fehlende Aufklärung, überhöhte Geburtenraten, technologische Rückständigkeit, Ineffizienz und ein Mangel an bezahlbarer Energie sind die bewusst in Kauf genommenen Begleitumstände der Konzerne und Regierungen, die im Auftrag ihrer Wähler und Kunden aus den Industriestaaten das Ungleichgewicht dieser Welt aufrecht erhalten wollen.«
Nachdenklich rutschte Admiral Adamski in seinem Sitz umher und schnallte sich an, als die Landung unmittelbar bevorstand. Worauf auch immer diese Rede hinauslaufen würde, eines stand bereits jetzt fest: Es war ein genialer Schachzug der Terroristen, diese Botschaft durch die Tochter des Präsidenten verlesen zu lassen. Aus ihrem Mund klangen die Worte glaubhaft und wie eine Bankrotterklärung zügelloser Globalisierungspolitik. Zumal Tracy Gilles nicht mehr den Eindruck erweckte, als ob Sie den Text mit absolutem Widerwillen las.
Irgendwas im juckenden rechten Zeh verriet Admiral Adamski, dass neben der technologisch bedingten Dramatik in dieser orbitalen High-Tech-Station auch noch der psychologische Effekt durch jene ausgewählte Sprecherin seine Wirkung im Fernsehen nicht verfehlen würde.
Die Terroristen hatten Tracy Gilles bewusst ausgewählt, um mit der Botschaft der sogenannten zivilisierten Welt den Spiegel vorzuhalten. Anstatt der erwarteten vermummten radikalen Islamisten zeigte sich nun eine attraktive Frau auf dem Bildschirm, die sich zumindest im eigenen Land einer extremen Beliebtheit erfreute. Ihre wissenschaftlichen Sendungen im Auftrag der NASA waren nicht gerade der Quotenbringer, brachten ihr aber dennoch eine hohe Reputation und genau jenes Maß an Glaubwürdigkeit
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