Dein bis in den Tod
ich, wir hätten Freunde werden können …«
Ich sagte: »Jonas hat erzählt …«
Sie sagte: »Entschuldige. Ich habe dich unterbrochen. Jonas hat erzählt …«
»Er hat mir – von dir erzählt. Er hat gesagt – er hat gesagt, er habe nie jemandem davon erzählt – von dir. Vorher. Ich weiß nicht, warum er gerade mich ausgewählt hat. Er war ein bisschen betrunken, aber …«
»Eines Tages – es kommt ein Tag, Varg, da müssen alle Geheimnisse einfach heraus. Du trägst etwas mit dir herum, das nur du weißt – nur du – und du kannst es niemandem erzählen. Du möchtest, du hast das Bedürfnis – davon zu erzählen, aber deine Mutter wäre nur erschrocken, und sogar deine beste Freundin würde dich wahrscheinlich nicht verstehen. Du weißt – ganz tief drinnen weißt du natürlich –, dass du es niemandem erzählen kannst: nur ihm – ihm, der das Geheimnis ist. Aber eines Tages triffst du einen Menschen – und es sollte am liebsten eine zufällige Begegnung sein – nicht um dich zu beleidigen, aber: ein Mensch, den du höchstwahrscheinlich nicht so bald wieder triffst oder nicht oft. Und plötzlich – plötzlich tut es gut, unendlich gut, erzählen zu können. Denn du trägst ja eine Liebe mit dir herum, und du willst ja – irgendwie willst du diese Liebe ja mit jemandem teilen, die Freude, die diese Liebe dir bereitet, auch wenn sie – verboten ist.« Das letzte Wort kam fast wie ein Nachsatz, und sie bekam eine nachdenkliche, senkrechte Furche zwischen den Augenbrauen. Sie hatte schmale, ziemlich dunkle, ungefärbte Augenbrauen. Ihre Wimpern waren diskret getuscht. Sie hatte eine dünne Schicht rosa Lippenstift aufgetragen. Sonst war sie ungeschminkt, soweit ich sehen konnte.
Ich sagte: »Jonas hat von dir erzählt, auf eine Weise, wie – wie ich jedenfalls noch nie einen Mann von einer Frau habe sprechen hören. Er – es war fast – ansteckend.« Das letzte Wort war nicht überlegt, sondern es rutschte mir einfach so heraus. Ich sagte: »Ich meine, ich …«
Sie sah mich nachdenklich an. »Ich habe nachgedacht … Glaub mir, ich habe viel nachgedacht in diesen Tagen, seit – seit dem Morgen, als die Polizei anrief und sagte …« Sie sprach es flüsternd aus: »Dass er tot ist.«
Dann räusperte sie sich leise und fuhr mit klarer Stimme fort. »Ich habe über unsere gemeinsame Zeit nachgedacht, die Zeit, die wir hatten. Ich bin nie – es waren die glücklichsten Jahre meines Lebens, Varg. Ganz ehrlich. Auch wenn andere es Untreue nennen würden: Ich bin nie vorher so glücklich gewesen. Von der ersten, ängstlichen Verliebtheit bis zu – der Wärme, die zwischen uns war, jetzt – am Ende. Ich weiß noch, wie ich mich in ihn verliebt habe. Zuerst waren es nur merkwürdige Signale, und ich versuchte, sie zu verdrängen, versuchte, mich zusammenzureißen und sagte zu mir selbst: Du bist glücklich verheiratet, Solveig, glücklich verheiratet! Aber mein Gott es war wie der Versuch, eine Lokomotive aufzuhalten. Und der nächste Gedanke war natürlich: War ich wirklich glücklich verheiratet, wenn ich mich so sehr in einen anderen verlieben konnte?« Sie sah mich fragend an.
Ich sagte: »Wahrscheinlich nicht. Aber man kann wohl – man kann wohl vielleicht mehrere lieben – gleichzeitig?«
Sie nickte langsam. »Doch. Vielleicht. Aber nicht mit der gleichen Intensität. Und später, sogar viel später, denn es ging langsam – jedenfalls am Anfang – zwischen Jonas und mir. Aber später, als wir dann richtig – zusammen waren … da, da haben wir uns so sehr geliebt, dass kein Platz mehr war für andere. Für Jonas und mich gab es nur uns beide. Er, nur er schaffte es, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Ich dagegen, ich habe gezögert. Und genau darüber habe ich nachgedacht, ich meine unter anderem. Vielleicht habe ich zu lange gezögert. Vielleicht ist es passiert, weil ich so lange gezögert habe. Wenn ich – wenn ich getan hätte, worüber wir gesprochen haben, alles – alle Brücken abgebrochen hätte – in eine andere Stadt gezogen wäre – dann würde er vielleicht heute noch leben, mein – Geliebter.« Das letzte sagte sie leise und fast unhörbar, in die Kaffeetasse hinunter.
Sie fuhr fort: »Jonas hat immer gesagt – ich glaube, es ging ihm ganz gut – jedenfalls sexuell – mit seiner Frau. Er hat immer gesagt, dass das, was er für mich empfand, dass das nicht in erster Linie etwas Sexuelles war, nicht bevor wir zusammen gewesen waren, jedenfalls – richtig. Es
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