Dein Blick in meiner Morgenroete
dass Cherryl aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachen und zu schreien anfangen könnte. Tordjann hievte das Mädchen auf die Rückbank des Pick-ups.
»Ich hab ein Seil im Handschuhfach gesehen«, flüsterte Narjana und ging zur Beifahrerseite, um es zu holen. Sie reichte Tordjann das Seil und er fesselte Cherryl damit.
»Wir sollten sie auch knebeln«, gab er zu bedenken.
»Besser nicht, solange sie bewusstlos ist. Sie könnte ersticken«, entschied Narjana. »Ist gut so! Lass uns abhauen!«
Sie waren gerade aus Tristan Falls heraus, als Cherryl anfing, sich zu bewegen. Narjana wandte sich zu ihr um und beobachtete sie. Cherryl öffnete die Augen und schrie erschrocken auf.
»Schnauze«, fuhr Narjana sie an. »Schreien nutzt dir ohnehin nichts.«
»Was … was wollt ihr von mir? Seid ihr … seid ihr Seeker?«
»Nein! Sind wir nicht. Dir wird nichts geschehen. Was wir wollen, oder besser: wen wir wollen, ist Cole. Und Faith.«
»Warum? Was … was habt ihr mit ihnen vor? Wollt ihr sie etwa … umbringen?«
Narjana lächelte kalt.
»Du hast es erraten, Blondie!«, sagte sie und kniff Cherryl in die Wange, wie man es bei einem kleinen Kind machte. »Du bist ja gar nicht mal so dumm. Vielleicht bist du gar keine echte Blondine, he?« Sie lachte und schubste Cherryl zurück in den Sitz.
»Vierter Gang, Tordjann. Hörst du das denn nicht? Nimm den vierten!«
Tordjann hatte darauf bestanden zu fahren, nachdem er es sich bei Narjana angesehen hatte. Er schien ein Naturtalent zu sein und fuhr den Wagen ruhig und sicher. Nur jagte er die Gänge zu hoch für Narjanas Geschmack.
»Hier kannst du schneller fahren und in den fünften Gang schalten. Sechzig Meilen, nicht schneller. Fehlt uns noch, dass wir die Aufmerksamkeit der Cops auf uns ziehen.«
Tordjann tat wie geheißen und sie fuhren eine Weile schweigend.
»Siehst du das Schild da vorn? Bieg da ab.«
Die Seitenstraße war nicht viel mehr als ein besserer Feldweg. Wald erstreckte sich rechts und links der Straße und es gab keine Straßenbeleuchtung mehr. Sie kamen an einem kleinen See vorbei und bogen dann in eine Blockhaussiedlung ein.
»Halte hier. Wir nehmen uns eine der Hütten hier. Bring Cherryl. Ich geh voran. Es dürfte nicht schwierig sein, einzubrechen. Hoffentlich haben die in der Hütte etwas zu essen. Ich werde später eine Nachricht für Cole abliefern. Da kann ich notfalls auch noch Lebensmittel besorgen.«
Sie stiegen aus und Tordjann holte Cherryl aus dem Wagen. Sie wehrte sich und schrie aus Leibeskräften, doch Tordjann ließ sich davon nicht beirren.
»Hysterische Ziege!«, schimpfte Narjana. »Mach nur so weiter. Deine Chancen, das hier zu überleben, sinken rapide!«
Cherryl verstummte.
Narjana ging um eine Blockhütte herum, schlug eine der hinteren Scheiben ein und öffnete das Fenster.
»Die Hintertür ist wahrscheinlich von innen verriegelt. Ich klettere rein und seh nach, ob ich sie öffnen kann. Warte hier!«
Narjana wischte mit dem Arm die Scherben beiseite und stieg durch das kaputte Fenster. Einige Augenblicke später öffnete sie die Hintertür und ließ Tordjann hinein.
»Wohin?«, wollte er wissen.
»Muss ich selbst erst noch sehen. Moment.«
Sie öffnete eine Tür und winkte Tordjann herbei. Es war ein Schlafzimmer mit einem Doppel-Kingsize-Bett.
»Bring sie hier herein! Du kannst sie bewachen und ich werde eine Nachricht für Cole verfassen.«
»Gut«, stimmte ihr Begleiter zu und schmiss seine Last etwas unsanft auf das Bett.
»Hey«, schrie Cherryl empört auf. Tordjann schnappte sie bei der Kehle und funkelte sie aus dunklen Augen an.
»Willst du mir Probleme machen?«, drohte er.
Cherryl schüttelte den Kopf. Ihre Augen waren vor Schreck weit geöffnet und sie zitterte.
»Guuut! Dann verhalte dich gefälligst ruhig und halt deine Fresse! Ich soll dich am Leben lassen, doch das heißt nicht, dass ich dir nicht ein wenig wehtun kann. Also reize mich besser nicht zu sehr!«
Narjana schnaubte.
»Kann ich dich mit ihr allein lassen?«
»Vorsichtig, Liebes«, warnte Tordjann finster. »Behandle mich nicht wie einen Idioten. Verstanden?«
»Schon klar. Ich habe verstanden. Ich geh dann jetzt!«
Wütend rauschte Narjana aus dem Zimmer und machte sich daran, in der Hütte nach einen Zettel und Schreiber zu suchen. Schließlich wurde sie in der Küche fündig. Hastig schrieb sie eine Nachricht an Cole und faltete den Brief zusammen. Dann tippte sie die Koordinaten von dem Platz ein, wo sie vorher gestanden
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