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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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Höchste Zeit, nach ihr zu sehen und sich zu überlegen, wie er die Leiche entsorgen sollte.
    Doch schon wieder wurde ihm übel und schwindlig. Und das war der andere Grund, der seine Freude gewaltig dämpfte. Ihm jeden Spaß verdarb und ihn sogar daran gehindert hatte, ihre letzten Minuten live zu verfolgen. Ihm ging es gar nicht gut. Er erbrach alles, was er zu sich nahm, und pendelte seit Stunden zwischen Bett und Toilette. Er fühlte sich schlapp und elend. Widerwillig griff er nach dem Becher Kamillentee. Eigentlich hasste er Tee. Doch nun trank er ihn in gierigen Schlucken. Hoffentlich blieb er drin. Er war so durstig. Der Tee schmeckte widerlich. Dann doch lieber Cola. Sollte ja helfen bei Magen-Darm-Geschichten. Schwankend stand er auf und musste sich abstützen, alles drehte sich. Er holte die Flasche aus dem Kühlschrank und trank direkt daraus. Das süße Getränk rann ihm die Kehle hinab. Einen Augenblick später fühlte er sich besser, doch in der nächsten Sekunde wieder schlechter. Grauenhaft schlecht. Er sank auf den Stuhl. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Seine Hand zitterte.
    Ihm ging es nicht gut. »Liegt das an dir, Chantal?«, fragte er in die Stille des Zimmers hinein. »Es war leider nötig. Verstehst du doch. Oder? Eigentlich warst du ja ganz süß, Chantal. Aber es wäre humm gewesen, es nicht zu tun.« Humm? Hatte er humm gesagt? »Dumm!«, korrigierte er sich kopfschüttelnd. Doch davon wurde es nicht besser. Ganz im Gegenteil. »Wenn die Sache… hier zu Ende… zu Ende ist, gehe ich zum Arzt. Ich fühle mich so müse und klapp. Was meinst du?« Müse? Was redete er da? Sogar das Denken fiel ihm schwer. Als müssten sich die Gedanken durch zähen Schlamm voranarbeiten. Besser er legte sich wieder ins Bett und kurierte sich aus.
    Langsam stand er auf. Die Welt drehte sich. Was war nur los mit ihm? Erst musste er… musste er… Herrgott… das Denken… ging so zäh. Musste er… auf den Monitor… Moni… Louischen… das mauserote… mausetote Mädchen. Das wollte er sehen.

68
    Der hat grad Urlaub und hängt ständig hier rum. Bens Worte hallten in Lysanders Ohren noch nach, als er an Haus zwei bei Bär klingelte. Der hängt ständig hier rum!
    Als Ben das gesagt hatte, waren bei Lysander alle Alarmanlagen angegangen. Die Gegensprechanlage blieb stumm. Der Summer ertönte nicht. War Bär nicht daheim? Hing er irgendwo hier rum? Lysander sah sich um. Vielleicht war Bär der Mann von der Bank, den Lou als Prinzipienreiter bezeichnet hatte? Doch die Bank lag verwaist im Morgenlicht. Kurz vor acht. Der hat grad Urlaub. Vielleicht wollte Bär ja nicht öffnen.
    Eine Frau im Businesskostüm mit Laptoptasche kam heraus. Bevor sich die Tür hinter ihr schloss, schlüpfte Lysander hinein und spurtete die vier Etagen hinauf. Außer Atem kam er oben an. Sein Herz raste. Er schwitzte. Was sollte er tun? Bär herausklingeln, ihn zur Rede stellen?
    Besser, er rief Russo an oder Meo. Wenn Bär den Schlüssel behalten hatte… er konnte derjenige sein, den sie suchten, und wenn er es war, dann war er gefährlich. Lysander legte das Ohr an die Wohnungstür. Dahinter war es still. Nichts zu hören. Oder doch? Ein halblautes Brabbeln und Stöhnen. Das klang nicht gut. Da brauchte jemand Hilfe. Lysander klingelte und klopfte. »Herr Bär!«
    Es blieb still. Wieder legte Lysander das Ohr an die Tür. Ein leises Ächzen. Mehr nicht. Entschlossen zog Lysander das Handy aus der Hosentasche und wählte Meos Nummer. »Hi Meo. Ich bin im Nachbarhaus von Lou. Haus zwei. Vierter Stock. Beim Hausverwalter. Er öffnet nicht und scheint verletzt zu sein. Ich höre nur ein Stöhnen. Jedenfalls braucht er Hilfe.«
    »Du bist bei Bär?«
    »Ja.«
    »Du bist nicht in der Wohnung?«
    »Nein. Das heißt ja. Ich bin nicht drin. Er macht nicht auf.«
    »Gut. Ich schicke sofort einen Notarzt los und einen Streifenwagen.«
    Lysander hörte, wie Meo Anweisungen an einen Kollegen gab. Dann war er wieder dran. »Dauert fünf Minuten. Wir sind auch schon unterwegs. Und du wartest unten. Klar?«
    »Warum?« Doch er hatte eine Ahnung.
    »Bär ist unser Mann. Er hat die Kamera in Boston gekauft. Das haben wir vor fünf Minuten erfahren. Du gehst da jetzt nicht alleine rein, du spielst nicht den Helden. Was du überhaupt hier machst, das kannst du uns später erklären.«
    Es dauerte tatsächlich keine fünf Minuten, bis Notarzt und Streifenwagen mit zuckendem Blaulicht und Sirenengeheul den Vorplatz vor dem Haus erreichten. Zwei

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