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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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elegante Hotel, stets erleuchtet und lebendig wie eine stumme Bühne oder wie die unveränderliche, niemals endende Totale eines Films, die riesigen Büros, in ihrer Ruhe längst bewacht vom Nachtwächter in seinem Häuschen, der gähnt, während er Radio hört mit der nach hinten geschobenen Mütze und dem hochgeklappten Schirm, und im Dunkeln die im Zickzack sich bewegenden, flüchtigen Bettler, aus deren verfilzten Kleidern es Asche zu regnen scheint, wenn sie sich in die Quere kommen oder sich kratzen, oder vielleicht geben sie den angehäuften Staub von sich; und natürlich meinen benachbarten Tänzer (so losgelöst von der Welt, daß es eine Freude ist, ihm zuzusehen) und seine gelegentlichen ebenfalls tanzenden Partnerinnen, in der letzten Zeit hatte ich gesehen, wie er sich unerschrocken dem Sirtaki ergab, heiliger Himmel, er wirkte tuntig, das heißt, nicht wie ein Homosexueller, sondern wie etwas anderes – ein eitler Fatzke, eine alberner Typ, ein affektierter, manierierter Schwachkopf –, der Begriff hat heutzutage nichts mit den sexuellen Präferenzen desjenigen zu tun, dem er gilt, ich für meinen Teil trenne das zumindest, es gibt keinen lächerlicheren Tanz für einen einzelnen Mann als den griechischen Sirtaki, mit Ausnahme wahrscheinlich des baskischen aurresku , den dürfte mein zufälliger Nachbar nicht kennen.
    Ich machte also die Probe zwei- oder dreimal, ich blieb jäh stehen, als nichts darauf hinwies, daß ich es tun würde, und jedesmal dauerte es etwas länger, bis das Geräusch vorsichtiger und halb luftiger Schritte verstummte, das Grillengezirpe oder Knistern oder was auch immer – das hastige Trotten einer alten Wanduhr, auch ihm gleichen die Schritte eines Hundes –, ich konnte es noch hören, als ich schon still stand und kein unfreiwilliges oder unkontrolliertes Geräusch von mir kommen konnte. Ich wandte nicht den Kopf, als ich diese Probe machte, weder zurück noch zur Seite, anders als zuvor, als ich mit meinem stetigen Rhythmus gegangen war, den Regenschirm nach hinten über die Schulter gelegt, fast wie einen Sonnenschirm auf dem Spaziergang, als wollte ich vor allem meinen Nacken schützen, ihn vor dem Wind und dem Wasser und den möglichen Blicken und den imaginären Kugeln schützen, die sie hätten durchlöchern können (den Nacken wie den Schirm), man denkt absurde Dinge, wenn man in der Dunkelheit eine gute Wegstrecke allein zurücklegt und sich verfolgt fühlt, ohne zu sehen, daß einem jemand folgt. Auf dem letzten Wegstück gab es zuweilen Rasenflächen links und rechts, die Strecke verlief über Abkürzungen auf den Alleen oder eher Wegen eines kleinen nahegelegenen Parks, vielleicht gingen sie im Gras, diese nie gesehenen Schritte. Ich wartete, bis ich den kaum beleuchteten Park hinter mir gelassen hatte und schon ziemlich nah bei meinem Wohnhaus war. Vor mir lagen noch zwei Straßenzüge und ein weiterer Platz, als ich abermals die Probe machte, und dieses Mal drehte ich mich um, als ich stehenblieb, und da sah ich sie, zwei weiße Gestalten in einer gewissen Entfernung, die mir normalerweise nicht erlaubt hätte, Keuchen oder Schritte zu hören. Der Hund war weiß und die Frau, die Person, trug wie ich einen hellen Regenmantel. Sie erschien mir vom ersten Augenblick an als Frau, und sie war es, denn nach einer Sekunde oder Spur von Zweifel gefielen mir ihre Beine, als ich sah, daß nicht ein Paar dunkle Hosen sie bedeckten, sondern hohe schwarze Stiefel (wenn auch ohne Absatz, oder nur mit einem sehr flachen), die die Wölbung ihrer kräftigen Waden deutlich nachzeichneten oder hervorhoben. Ihr Gesicht wurde von der Kuppel des Regenschirms verborgen, beide Hände waren beschäftigt, mit der anderen hielt sie die Leine des Hundes, der mit wenig Hoffnung und vielleicht großem Überdruß an ihr zog, das Tier war durch nichts geschützt, es mußte tropfnaß ein, bestimmt lastete der Regen auf ihm, so heftig er ihn auch abschüttelte in den Pausen (er fiel weiter auf ihn), und sie machten gerade eine, denn die beiden Gestalten hatten ebenfalls innegehalten, mit ein wenig unvermeidlicher Verspätung im Vergleich zu mir oder meinem so abrupten Halt. Ich schaute sie einige, nicht wenige Sekunden an. Der Frau schien es nicht viel auszumachen, gesehen zu werden, ich meine, sie konnte ohne weiteres jemand sein, der trotz des irren Wetters den Hund ausgeführt hatte, und sie hätte mir auch keine Erklärungen geben müssen, wenn ich sie darum gebeten hätte. Es konnte

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