Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
wirkte sehr ruhig und völlig in Einklang mit der Umgebung. »Man kann sie nennen, wie man will, glaube ich. Revenants sind mehr als nur untote Menschen. Sie sind seelenlose Vampire. Und sag jetzt nicht, dass Vampire keine Seele haben. Das ist ein Mythos. Ich, meine Mutter, meine Großmutter, Gabriel … wir haben alle eine Seele. Wir wurden in diese Welt geboren, genau wie Menschen. Auch die Menschen, die in Vampire verwandelt werden, behalten ihre Seele; sie wachen einfach als Taggeborene wieder auf.«
»Und wie verliert dann ein Vampir seine Seele und wird zum Revenant?«
»Das passiert, wenn ein Vampir einen Menschen verwandeln will und dabei Mist baut. Ein Mensch, der während des Blutaustausches stirbt, wird ohne Seele wiedererweckt, und ohne eine Seele ist er nicht mehr … er selbst. Deshalb haben die Novem strenge Regeln für die Verwandlung von Menschen aufgestellt. Einen Menschen an den Rand des Todes zu bringen und sein Blut auszutauschen, bevor seine Seele den Körper verlässt, ist eine exakte Wissenschaft. Revenants sind in der Regel das Ergebnis von Amateuren.«
»Und warum werden sie nicht gleich getötet, wenn man merkt, dass etwas schiefgelaufen ist?«
Sebastian schwieg einen Moment, während wir in die Girod Street abbogen. Vor uns ragten graue Hochhäuser in den Nachthimmel, die mit ihren leeren Fensterhöhlen nur noch wie Skelette ihres früheren Selbst aussahen. Unsere Schritte hallten, als wir über Trümmer stiegen und an verrosteten Fahrzeugen vorbeigingen. Überall lag Zeug herum, das nicht hierhergehörte – eine Badewanne, ein Karussellpferd, das auf die Seite gekippt war, ein Pontonboot …
»Stell dir vor, dass du jemanden retten möchtest, den du liebst«, sagte er. »Oder jemanden verwandelst, damit er nicht alt wird und du ihn verlierst. Und dann machst du einen Fehler … Könntest du ihn töten? Könntest du ihn mit Benzin übergießen und verbrennen? Denn das ist die einzige Möglichkeit, um sie endgültig zu töten, wenn sie erst einmal wiederauferstanden sind. Also lassen ihre Schöpfer sie gehen. Aber wie ich schon sagte, die Novem sind in dieser Beziehung sehr streng, daher gibt es nicht so viele von ihnen.«
Die Gegend war so still, dass jedes Geräusch, jeder Schritt, jedes metallische Knarren wie Donner hallte. Sebastians Worte bedrückten mich. Selbst bei der Erschaffung der lebenden Toten war Menschlichkeit im Spiel. Verlust. Reue. Liebe.
»Wann werden die Novem hier aufräumen?«
»Wer weiß. Vielleicht nie. Sie werden zuerst den GD restaurieren, bevor sie hier anfangen. Hin und wieder schicken sie ein paar Henker her, um zu verhindern, dass die Ruinen zu voll werden, aber abgesehen davon überlassen sie das Viertel sich selbst.«
Die Straße vor uns wurde von einem riesigen Trümmerhaufen blockiert. Bei einem der Gebäude war eine Seite eingestürzt, woraus sich eine mehrere Meter hohe Barriere aus Baustahlmatten, Beton und Glas gebildet hatte.
»Pass auf Glas und Metall auf«, sagte Sebastian, während wir an der niedrigsten Stelle über den Haufen kletterten. Überall in den Ruinen roch es nach Betonstaub und Schimmel. Ein durchdringender Gestank lag in der Luft, der sich in meinem Rachen festsetzte. Egal wie oft ich schluckte, ich wurde ihn einfach nicht los.
Plötzlich hörten wir den Schrei des Falken. »Da lang«, sagte Sebastian.
Als wir den Trümmerhaufen hinter uns gelassen hatten, kamen wir zur Kreuzung an der Loyola Street.
Die Haare in meinem Nacken stellten sich auf.
Jemand beobachtete uns aus den Schatten der Ruinen heraus.
Hier draußen waren wir Zielscheiben. Ich spürte tausend Augen auf uns gerichtet, auf beiden Seiten der Straße, über uns in den hohen Gebäuden, überall.
Langsam drehte ich mich um mich selbst und starrte auf die riesigen Gebäude des Entergy Tower und des Hyatt Regency, hinter denen der Superdome lag.
Meine Hand tastete nach der Neunmillimeter, meine Finger schlossen sich um den Griff. Das kühle Metall beruhigte mich. Immer wieder hörten wir Geräusche, Kratzen von Metall, dumpfe Schläge, Krabbeln.
»Sie verfolgen uns«, flüsterte ich Sebastian zu, als wir Seite an Seite die Straße überquerten. »Warum greifen sie nicht an? Und warum zum Teufel hast du keinen Flammenwerfer mitgenommen?«
Ich versuchte nicht, witzig zu sein – ich stand kurz vor einer Panikattacke. Wie sollten wir gegen etwas kämpfen, das nicht starb, es sei denn, man verbrannte es? Wir gingen auf den Entergy Tower zu. Er ragte aus einem
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