Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
Sebastian saß auf dem Thron, als wäre er von Michelangelo persönlich geschaffen worden. Die Hände klammerten sich an die Armlehnen, das Gesicht starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen auf mich herab, die Haare fielen ihm in die Stirn, die Beine waren gespreizt … Er sah aus wie ein aufgewühlter junger König, der in seinen düsteren Gedanken versunken war.
Athene stand neben Sebastian und lehnte sich an den Thron. Auf ihrem Gesicht lag ein breites Grinsen. Ihr Arm lag auf der Rückenlehne, ihre Finger trommelten auf dem vergoldeten Holz herum.
Die anderen Götter starrten mich schockiert an. Jetzt wussten sie, was ich konnte, wussten, dass ich anders war, dass Athene ihnen nicht die ganze Wahrheit über ihre »kleine Gorgo« gesagt hatte. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, um Sie zu packen, um ihr das anzutun, was ich Sebastian angetan hatte, doch ich war leer. In mir war nichts mehr.
Athene beugte sich zu mir hinunter, nahm eine Strähne meines Haars zwischen die Finger und spielte damit. »Ich wusste es«, flüsterte Sie seltsam stolz. »Ich wusste, dass du es schaffen würdest. Das hast du gut gemacht, Aristanae, das hast du wirklich gut gemacht …«
Ihr Blick wanderte durch die Halle bis zu der Nische mit der Statue des Zeus, dann sah Sie die Gäste ihres Festmahls an und strahlte triumphierend und voller Vorfreude.
»Esst, so viel ihr könnt, denn wenn das Mahl zu Ende ist« – ihre Worte echoten laut durch die Halle – »gehen wir mit unserer Prozession nach New 2!«
Die Gäste brachen in lauten Jubel aus. Becher wurden auf die Tische geknallt. Kreaturen johlten und applaudierten. Der Lärm war ohrenbetäubend.
Athene klatschte in die Hände und ordnete lautere Musik und noch mehr Essen an. »Iss, Aristanae!«, rief Sie mir lachend zu.
Ich runzelte verwirrt die Stirn. In einem Moment kämpfte Sie gegen mich, im nächsten wollte Sie , dass ich etwas aß. Sie hatte das Ganze bis ins letzte Detail geplant und ich hatte ihr gezeigt, wie viel Macht in mir steckte, ich hatte jedes bisschen davon benutzt. Und jetzt war ich so leer, dass ich nicht einmal mehr eine Mücke in Stein verwandeln könnte.
»Genieß das Essen, die Gesellschaft …« Sie deutete auf einen der langen Tische, an dem Menai mit dem Mann im Umhang stand, von dem ich jetzt wusste, dass er mein Vater war.
Ich reagierte überhaupt nicht; ich stand immer noch unter Schock. Athene winkte zwei Wächter herbei, die mich von hinten unter den Achseln packten und wegschleppten, während meine Füße kraftlos über den Boden schleiften.
Alles, was ich sah, war Sebastian, von dem ich mich immer mehr entfernte.
Sebastian. Er war so wunderschön. So kalt. Ich hatte ihn gerettet. Ja, das hatte ich. Das hatte ich doch, oder? Oh Gott. Was hatte ich bloß getan?
Und dann sah ich Violet, die hinter mir herging, in Begleitung von zwei Wächtern. Sie hielt Pascal auf dem Arm und weinte, sie war wütend, das Gesicht rot und fleckig. Ich wusste, dass sie um Sebastian weinte.
Die Wächter setzten mich unsanft auf eine der langen Bänke.
An dem Tisch war Platz für mich gemacht worden und erst, als ich saß, wurde mir klar, dass der Mann neben mir mein Vater war. Menai gesellte sich nicht zu uns, sondern ging ein paar Schritte zur Wand zurück. Da ich nicht wusste, was ich tun sollte, legte ich die Hände links und rechts von meinem Teller auf den Tisch.
Ich saß da und wartete, dass der Schock über das, was ich Sebastian angetan hatte, nachließ. Ich begann am ganzen Körper zu zittern.
Violets kleine Hand schob sich in meine. Sie reckte das Kinn und sah wütend aus. Ich versuchte zu lächeln, was mir aber nicht gelingen wollte. »Es tut mir leid, Vi«, flüsterte ich.
»Ist Bastian … tot?«
»Michel kann das rückgängig machen«, versprach ich. »Die Novem wissen, wie man ihn wieder zurückbringt.« Sie mussten es wissen. Denn wenn sie es nicht wussten … Verwirrung legte sich auf meine Gedanken. Warum? Warum hatte ich das getan? Irgendwo in meinem Unterbewusstsein hatte es sich richtig angefühlt, es war die richtige Entscheidung gewesen. Ich hatte ihn gerettet. Ich hatte getan, wozu mich ein instinktiv handelnder Teil von mir, den ich selbst nicht ganz verstand, gedrängt hatte. Doch jetzt fragte ich mich, ob es nicht ein Fehler gewesen war.
Die Zeit verging. Alles tat weh. Alles in mir schrumpfte und verbrannte, bis ich das Gefühl hatte, eine leere Hülle aus Asche zu sein, die der kleinste Windhauch ins Nichts wehen
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