Dein ist das Leid (German Edition)
allerdings auch keine Gedanken zu machen, wenn Sie mit einer anderslautenden Empfehlung des Ausschusses zu mir kommen sollten. Ich werde sie ablehnen. Ich würde es vorziehen, wenn es nicht dazu kommt, deshalb setze ich Sie rechtzeitig ins Bild.“
Richard musterte sie, doch ihr Gesicht gab nichts preis. „Warum jetzt?“
„Das ist sehr einfach“, erwiderte Patricia. „Ich werde nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass ein unschuldiges Baby sterben muss. Und ich werde nicht zulassen, dass das FBI in den Augen der Öffentlichkeit für den Tod eines unschuldigen Babys verantwortlich ist.“
Als Casey am nächsten Morgen das Gebäude verließ, schlief Hutch noch. Aber er musste irgendwann in der Nacht aufgestanden sein, denn seine Tasche war wieder ausgepackt und seine Zahnbürste im Badezimmer.
Casey lächelte. Trotz des Ernsts der Lage war sie froh, dass er sich zum Bleiben entschlossen hatte. Morgen musste er sowieso wieder in Quantico sein. Eine weitere Nacht zusammen war den Streit wert, den es immer gab, wenn sie beruflich aufeinanderprallten.
Im Sloane-Kettering-Krankenhaus wartete nichts Gutes auf sie.
Vor der Intensivstation wurde sie gleich von Patrick gewarnt, dass Amanda sehr deprimiert war. Justin war die ganze Nacht unruhig gewesen, und Dr. Braeburn machte sich Sorgen, weil sein Zustand sich nicht verbesserte. Die Antibiotika hätten längst wirken müssen.
Casey nickte und trat an die Glasscheibe.
Auf der anderen Seite versuchte Amanda, Justin im Arm zu halten. Das war fast unmöglich wegen des Beatmungsgeräts und des Schlauchs, der aus seiner Brust ragte. Amanda wollte nichts durcheinanderbringen, damit die Geräte nicht aussetzten.
Zu sehen, wie Amanda mit gesenktem Kopf über dem winzigen Menschen in ihrem Arm schluchzte, zerriss Casey das Herz. Ihr Körper bebte, während sie ihm übers Gesicht und den flauschigen Kopf strich. Tränen liefen ihr über die Wangen.
Verflucht, dachte Casey und schloss die Augen. Warum begriffen die Leute beim FBI das nicht? Warum konnte sie diese Typen nicht hierherschleifen, damit sie mit eigenen Augen sehen mussten, was sie anrichteten, indem sie die Suche von Forensic Instincts nach Paul Everett behinderten? Was, wenn es das eigene Kind von einem von ihnen wäre, dessen Leben auf dem Spiel stand? Was, um Himmels willen, konnte wichtiger sein? Irgendein blöder Fall?
Casey wandte sich ab, um nicht selbst in Tränen auszubrechen. Offensichtlich wollte das FBI irgendetwas ganz Großes erreichen. Aber dafür konnte dieses arme Baby doch nichts. Justin hatte ein Recht auf sein Leben. Und wenn er überlebte, hatte er das Recht, zu wissen, wer sein Vater war.
Amanda hob den Kopf und merkte, dass Casey draußen stand. Sie legte Justin in seine Krippe, erhob sich und kam heraus.
„Hallo, Casey“, sagte sie leise und mit zitternder Stimme. „Wie lange sind Sie schon da?“
„Gerade erst gekommen.“ Casey schluckte die Tränen herunter. Wenigstens sie musste gefasst erscheinen. „Keine Veränderung?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort schon kannte.
„Nein.“ Amanda hatte verquollene Augen und tiefe Ringe darunter. Sie sah aus, als wäre sie in dieser einen Woche um zehn Jahre gealtert. „Haben Sie irgendetwas aus meinem Onkel herausholen können?“
„Leider nichts Konkretes. Marc hat ihn gestern Abend aufgesucht, und heute Morgen wird er noch einmal zu ihm fahren. Wir sind sicher, dass er wirklich nicht weiß, wo Paul Everett steckt. Aber es ist möglich, dass einige seiner Partner Bescheid wissen. Wir werden nicht nachlassen, bis wir es herausgefunden haben.“
„Seine Partner“, wiederholte Amanda. „Ja, den Ausdruck hat Patrick auch benutzt. Aber ich bin doch nicht blöd. Eigentlich wollen Sie sagen, dass mein Onkel Verbindungen zur Mafia hat.“
Casey atmete aus. „Bis jetzt können wir da nur spekulieren.“
„Das glaube ich nicht. Sie sind zu gewissenhaft und gründlich, um auf bloße Vermutungen hin zu agieren. Sie müssen etwas wissen.“
„Sobald daraus Tatsachen geworden sind, werden Sie das als Erste erfahren.“ Casey fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Mir ist klar, was wir von Ihnen verlangen. Bitte vertrauen Sie uns. Wir gehen in dieser Sache bis zum Äußersten. Wenn einer der Partner Ihres Onkels etwas weiß, werden wir es in Erfahrung bringen. Aber bitte versprechenSie mir, dass Sie keine Verbindung zu ihm aufnehmen. Nehmen Sie seine Anrufe nicht entgegen. Das würde alles nur noch komplizierter
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