Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
haben? Beinahe täglich eine! Das Ausmaß dieser Operation ist enorm! Jemand mit Visionen hat erkannt, dass die Polizei sich einen Dreck um Cannabis schert, und das nützt er aus, um so richtig Geld zu scheffeln.«
»Woher stammen deine Informationen?«, fragt Ray. »Die Razzien? Die Ziele?«
»Manche kommen von kleinen Dealern, die die Ohren aufsperren. Typen, die gerne für ein paar Monate weniger in den Knast möchten.«
»Und die größeren Razzien? Die, über die die Zeitungen berichten?« Ray glaubt, die Antwort bereits zu kennen.
Russell betrachtet den Grund seines leeren Glases, aber Ray macht keine Anstalten, es neu füllen zu lassen. Der ältere Beamte seufzt. »Anonyme Tipps«, sagt er. »Und gute dazu. Direkt an die Handys meiner Leute. Sie bleiben nie länger als ein paar Sekunden an der Strippe. Nennen uns nur eine Adresse und einen Zeitpunkt. Wir sind vor Ort, und die Blitzlichter flammen auf. Nette Publicity, und der Chief Constable ist glücklich.«
Ray nippt an seinem Wein. Stellt fest, dass sein ungutes Gefühl nicht verschwinden will. Trinkt in einem Zug aus.
»Die verarschen dich«, sagt er. »Entweder das, oder sie benutzen dich, um die Konkurrenz auszuschalten.«
Russell zuckt die Achseln. Sinniert wieder in sein Glas hinein. Ray dreht sich zur Bar um und winkt dem jungen, hageren Typen im schwarzen Ramones-T-Shirt, der hinter der Bar mit einem Handy herumspielt. Noch zwei Drinks.
Russell sagt kein Wort mehr, bis er sich den Bierschaum von der Oberlippe wischt. »So läuft das Geschäft heute eben«, meint er. »Du weißt genauso gut wie ich, dass wir die Drogen nicht aus unserem Leben verbannen können. Wir kriegen sie nicht weg von der Straße. Nicht einmal aus unseren verdammten Gefängnissen. Es geht darum, zu zeigen, dass wir es versuchen. Und wir geben uns alle Mühe, Col. Aber über die Ressourcen, die ich in die Cannabis-Razzien stecken muss, lachen sich die Heroinsüchtigen und Koksdealer ins Fäustchen. Und woher soll ich wissen, ob die Kerle, die die vietnamesische Arbeiterschaft übernommen haben, nicht auch in die härteren Klassen einsteigen wollen? Ich habe keinen Schimmer, wer die sind, nur dass sie beinhart vorgehen, sehr gut organisiert und sehr gut informiert sind.«
Ray schürzt die Lippen. Hält sich zurück, bis der Barmann ihm das Wechselgeld gebracht hat. Steckt es ein und legt die Hände flach auf den Tisch, als würde er an einer Seance teilnehmen. Er scheint nachzudenken.
»Alan Rourke«, sagt er. »Ich halte ihn nicht für einen Meisterverbrecher.«
Russell grinst. »Er ist ein harter Bursche, so viel kann ich sagen. Beinahe so hart wie sein alter Spießgeselle. Mann, ich könnte dir Geschichten erzählen über ihn und Giuseppe Noye …«
Ray winkt ab. »Erzähl mir nur die Geschichte, die ich hören will. Warum sind Rourkes Fingerabdrücke auf dem Molotowcocktail, der vor der verdammten Cannabisplantage auf unsere Leute geworfen wurde?«
Russell massiert sich die eine Hand mit der anderen. »Die Roma sind nicht so viel anders als die Vietnamesen«, sagt er und klopft mit den Fingerknöcheln auf den Tisch, um seine Worte zu unterstreichen. »Sie machen ihr Ding. Sie bleiben unter sich. Sie brechen manche Gesetze, und sie bereiten uns Kopfzerbrechen. Das war immer so. Aber wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft, Col. Manchmal entstehen Verästelungen.«
»Und Rourke hat sich vergrößert? Er ist in die Sache verwickelt?«
Russell zuckt die Achseln. »Er ist in der Szene bekannt. Ein harter Junge mit Beziehungen, der respektiert wird. Du hast die Zeugenaussagen gelesen. Es waren weiße Jungs. Große weiße Jungs. Wer sagt denn, dass nicht die Zigeuner den großen Sprung nach oben geschafft haben?«
Ray denkt darüber nach. Erinnert sich an Rourke: überbordend vor Selbstvertrauen und absolut unbesorgt, während er hinter dem Verhörtisch Schweigen bewahrte, mit einem Ausdruck in den Augen, als würde er sich lieber die Zunge abbeißen, bevor er seine Geheimnisse preisgab.
»Was soll das, Aidy? Ich hätte nicht einmal gewusst, dass du den Kerl kennst, wenn er nicht deinen Namen hätte fallenlassen. Und das hat er nur getan, um zu sehen, ob ich anbeiße. Um mir zu beweisen, dass er mehr weiß als ich. Hat mich aussehen lassen wie einen Trottel. Was wolltest du von ihm?«
Russell trinkt noch einen Schluck. Sagt nichts.
Ray nickt verständnisvoll. »Du hast wieder einen Anruf bekommen, nicht wahr? Auf dem Handy. Dieselbe Stimme, die dir die
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