Dein ist die Rache
Fingerübung für Aector McAvoy. Keine Mordermittlung. Sie und Ihr Boss wälzen lediglich Theorien und versuchen zu entscheiden, ob genügend Substanz da ist, um weiterzumachen.«
McAvoy reißt die Augen auf. Zeigt seine Frustration. Er fühlt sich, als würde er in den Boden versinken. »Ich dachte, Sie wären meiner Meinung.«
Pharaoh lächelt nachsichtig. Legt ihm die Hand aufs Knie, als wäre er ein widerspenstiger Teenager, der sich weigert, ihren Rat anzunehmen. »Ich bin ja Ihrer Meinung. Ich stimme Ihnen zu, dass die Kripo es sich viel zu leichtgemacht hat und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Simon Appleyard ermordet wurde. Aber der Junge ist eingeäschert worden. Alles, was wir haben, sind ein kaputtes Handy und wilde Spekulationen. Ich muss in Betracht ziehen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung ist. Sonst haben wir bloß einen zusätzlichen ungelösten Mord in den Büchern.«
McAvoy sieht sie an. Er ereifert sich, Schweiß bricht ihm an Rücken und Schultern aus. »Und was macht das aus uns? Wenn wir uns mehr um Statistiken kümmern als um Gerechtigkeit, wer soll dann alles zusammenhalten? Wozu sind wir dann gut?«
Er hat die Stimme stärker erhoben als beabsichtigt, und Pharaohs Miene verdüstert sich. »Ich gehöre nicht zu den Erbsenzählern, Söhnchen. Wenn jemand ein Unrecht tut, dann will ich, dass er gefasst und bestraft wird. Wenn jemand verletzt wurde, hat er das Recht darauf, zu wissen, dass eine Art von Vergeltung geübt wird.«
»Und wenn jemand ermordet wurde?«
»Fassen wir den Täter«, sagt sie, fügt dann hinzu: »Wenn wir können.«
Schweigend blicken sie aneinander vorbei, unsicher, ob sie diese Diskussion weiterführen sollen.
»Was nun?«, fragt McAvoy.
Pharaoh zuckt die Achseln. »Erst gehen wir einen Schritt zurück. Mal sehen, was Dan noch auf dem Mobiltelefon findet. Wir warten auf eine Beschreibung des Taxipassagiers. Versuchen herauszufinden, warum er das Taxi genommen hat. Recherchieren weiter über Simon. Dann denken wir nach.«
McAvoy nickt mürrisch. Ihr Vorschlag klingt sinnvoll.
»Und wenn er noch hinter anderen her ist?«, fragt er.
»Sie haben selbst gesagt, es ging um Simon persönlich. Er hat ihn erwischt.«
McAvoy kann ihr nicht in die Augen sehen, also senkt er den Blick wieder auf den Bildschirm. Geht Simons Angaben noch einmal durch. Sieht sich seine »Freunde«-Sektion an.
»Glauben Sie, eine davon könnte Suzie sein?«, fragt er Pharaoh und hebt ein paar der weiblichen Kontakte auf Simons Seite mit dem Cursor hervor. »Soll ich sie anmailen? Ob sie ihn gekannt haben?«
Pharaoh nickt. »Gute Idee.«
»Da ist eine ganze Welt, von der wir nichts wissen«, meint McAvoy nachdenklich, während er sich durch das endlose Profil pflügt. »Diese Menschen müssen sehr einsam sein.«
Pharaoh sieht ihn an, als käme er von einem fremden Planeten. »Nicht jeder hat, was Sie haben«, sagt sie endlich. »Die Menschen brauchen Aufregung. Manche trinken. Andere rauchen. Sie spielen. Sie treffen sich mit Fremden zum Sex. Sie geben sich in die Hände eines Sadisten, weil ihr Herz davon schneller schlägt. Das Leben ist manchmal so zahm, Aector. Die Leute brauchen gelegentlich einfach ein bisschen Verdorbenheit.«
McAvoy wünscht, er hätte etwas Stärkeres zu trinken. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, meine Abende damit zu verbringen, dass ich auf dem Rücksitz eines Wagens Sex mit Fremden habe.«
»Sie passen gar nicht in einen Wagen. Sie bräuchten schon einen Van, um zum Dogging zu fahren.« McAvoy nimmt ihre Worte gar nicht richtig wahr. Hört nur »Dogging« und hat eine plötzliche Eingebung.
Er verlässt die Website und geht auf Google. Tippt »Dogging, East Yorkshire« ins Suchfeld ein.
»Ein Glück, dass Ihre bessere Hälfte nicht Ihre Suchhistorie durchblättert«, meint Pharaoh.
Sekunden später ist er auf einer Website namens swinging-heaven.co.uk. Er scrollt sich durch und öffnet Dutzende von Postings, die Mitglieder mit Namen wie luvbstolik und trev69 hinterlassen haben, bis er auf eine stößt, die East Yorkshire erwähnt. Öffnet den Thread und findet eine Menge Mitteilungen, die den Parkplatz Coniston auf der A 46 erwähnen.
Er kehrt zu Google zurück. Gibt den Straßennamen ein. Kommt direkt zu einem Artikel auf der Website der Hull Daily Mail .
Mann auf Parkplatz in East Yorkshire verletzt
Ein 44-jähriger Mann liegt nach einem vermuteten Fall von Fahrerflucht in der Nähe eines landschaftlichen Kleinods
Weitere Kostenlose Bücher