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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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ein mißgünstiger Kollege, links neben mir die Gattin eines Politikers, die mich nach meinem Beruf fragte, vor mir drei Photographen und einer buchstäblich auf meinem Schoß, um den berühmten Schriftsteller rechts neben mir besser ins Bild zu bekommen, durchlief mich doch ein Schauer der Rührung und des Stolzes. Mir war, als würde nicht ich ausgezeichnet, nicht ich aufgenommen, sondern meine Vorfahren, ihr Wissensdurst, ihre Sehnsucht nach der Welt, ihr Mut, sie zu entdecken, ihr Ehrgeiz ebenso wie ihre Tugendhaftigkeit und meinetwegen Großvaters Ernst und seine Humorlosigkeit, die sie von Generation zu Generation weitergaben, damit am Ende einer ihrer Söhne in die Akademie der Franken aufgenommen wird. Jetzt sehe ich Großvater, wie er weinend auf der Kutsche sitzt, die gleich nach Teheran abfährt, und denke, dort zum Beispiel, auch dort und damals hat unsere Reise begonnen. Der Junge wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und findet allmählich zurück zu der Zuversicht, mit welcher er gestern nachmittag seine Tasche packte. Nun will er auch etwas von seinen Fähigkeiten zeigen, er ist doch keine Heulsuse, will wenigstens zwei, drei Sätze auf englisch sagen, nur haben sich die Vokabeln verflüchtigt, die ihm Herr Armani in der Aliye-Schule so mühsam eingetrichtert. Mister Allanson lacht nicht, er lächelt. Soviel bringt der Junge schließlich doch auf englisch zustande, daß er nach Teheran reise, um auf die Amerikanische Schule zu gehen. Ach, da muß ich auch hin, ruft Mister Allanson. Doktor Jordan hat ihn eingeladen, der Direktor der Amerikanischen Schule. Ich werde dich dort vorstellen, es wird dir gefallen. So Gott will. Enschâ’allâh . Daß Mister Allanson zum Persischen zurückgekehrt ist, löst dem Jungen endgültig die Zunge. »Ich werde nie vergessen, wie wir in der ersten Nacht, weil die Straße so unsicher war, in Nezamabad blieben. Die Karawanserei, in der eigentlich nur die Pferde ausgewechselt werden sollten, war halb verfallen. Wir suchten uns eine Ecke auf dem Dach des Gebäudeflügels, der noch stand, und breiteten nebeneinander unsere Decken aus. Solange ich wach war, hat dieser ehrenwerte Franke mit dem komischen persischen Akzent mir, Gott sei gepriesen, die Sorgen vertrieben, hat spannende Geschichten erzählt und ebenso spannend von Teheran berichtet, von der Schule, von England, von den Franken, bis ich endlich einschlief.«
    Gegen Abend des vierten Tages erreicht die Kutsche die Lalehzarstraße in Teheran und hält vor dem Postamt am Kanonenhaus-Platz, dem damaligen Herz der Stadt, heute wahrscheinlich eine unfarbige Kreuzung wie viele. Die Reisenden entladen ihr Gepäck und verabschieden sich voneinander. Mister Allanson versichert sich noch, daß der Junge eine Unterkunft hat. Ja, sagt der Junge, die Adresse hat mir mein Vater aufgeschrieben. Er wartet, bis Mister Allanson in der Menge verschwindet, ruft einen Träger und holt den Brief aus seiner Umhängetasche, auf dem die Adresse steht. Es ist ein Empfehlungsschreiben seines bisherigen Schuldirektors Mohaseb od-Douleh an dessen Freund Mirza Abdolwahhab Chan Djawaheri. Obwohl er sie schon auswendig kennt, studiert der Junge von neuem die Adresse, als ihm plötzlich der Brief entrissen wird. Der Junge blickt auf und sieht einen feisten Mann vor sich stehen, blaue Uniform, blitzende Manschetten, Pickelhaube und dicker Schnurrbart wie Zell-e Soltan leibhaftig, der abwechselnd ihn und den Brief drohend mustert. Der Brief hat keine Briefmarke, beschuldigt der Mann ihn: Das ist eine Ordnungswidrigkeit! Ohne einen Einwand zu wagen oder darauf hinzuweisen, daß er den Brief schließlich selbst aus Isfahan mitgebracht hat, zahlt der Junge die verlangte Strafe. Dann macht er sich zusammen mit dem Träger auf den Weg zu Herrn Djawaheri. Die Sonne ist längst untergegangen, als sie vor dem Haus stehen: es ist das Ladenlokal des Herrn Djawaheri, ein Süßwarengeschäft, die Fensterläden zugeklappt, die Tür verschlossen. In der Dunkelheit fragt der Junge sich durch, bis er einen anderen Träger findet, der weiß, wo Herr Djawaheri wohnt, nämlich vor dem Ghazwin-Tor, am anderen Ende der Stadt. Zum Glück hat sein Vater ihm genügend Geld mitgegeben. Beinah besinnungslos vor Aufregung, Angst und Erschöpfung, es ist schon Nacht, klopft der Junge schließlich an der Tür. Herr Djawaheri, der selbst aus Isfahan stammt,

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