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müÃte das »Molto Sostenuto« aus den Métamorphoses Nocturnes sein. Im Online-Shop kann er fünf verschiedene Aufnahmen vergleichen. So groà ist die Auswahl, daà er natürlich nichts hört, sondern sich nur von Station zu Station klickt, allein bei Itunes vierundvierzigmal christlicher Rock wie aus Siegen, das sich ohne jede Ironie rühmt, sogar â Nummer zehn prüft es gerade nach â, sogar auf dem Internetportal der Stadtverwaltung rühmt, Europas Hauptstadt der christlichen Rockmusik zu sein, was natürlich schon eindrucksvoller ist, als vor vierzig Jahren die zweitgröÃte Autobahnbrücke Europas gehabt zu haben. Die Nummer acht installierte ihm ein Programm, mit dem Nummer zehn kostenlos telefonieren kann, aber reià dich davon erst wieder los. Ãber die Suchfunktion läÃt sich herausfinden, mit welchen Verwandten in Iran und den Vereinigten Staaten er verbunden ist, auch mit dem Studienfreund in Kairo und dem Ingenieur in Kalkutta; selbst der Protokollant des afghanischen Parlaments, der keinen Strom hatte, um Tee zuzubereiten, und deshalb eine Coca-Cola holte, selbst der Protokollant kehrt als Eintrag im gemeinsamen Telefonbuch wieder. Hat die Nummer zehn schon etwas erlebt? Heute die erste Dienstagsbegleitung, deren Hauptzweck darin besteht, die Stipendiaten an den Touristentrossen vorbeizuschleusen, so daà im Laufe des Jahres zuverlässig noch die schmalsten Gassen und abseitigsten Kirchen von einem Troà deutscher Künstler überrannt werden. Erlebt? Als er Samstag den ersten Versuch unternahm, die Welt auÃerhalb der Akademie zu erkunden, kehrte er nach einer halben Stunde zurück, weil er nicht warm genug angezogen war. Zumal die Sonne schien, hatte er angenommen, er sei in Italien. Um dem Tag wenigstens eine Unternehmung zurechnen zu können, beschloà er, wie alle anderen Nummern den GroÃeinkauf der Grundnahrungsmittel zu absolvieren. Die Adresse der deutschen Billigwaren ist in dem Vademekum aufgelistet, das beim Einzug als einziges Schriftstück auÃer den Jahrbüchern auslag. Nicht vermerkt das Vademekum, daà man eine Dreiviertelstunde unterwegs ist. Eine Dreiviertelstunde Fahrt nur für einen Besuch bei Lidl ! Obwohl die Nummer zehn routinemäÃig aufs Klo gegangen war, erniedrigte ihn die Blase schon während der Fahrt vor jeder roten Ampel. Abgesehen davon, daà es ihn jedesmal an seinen GroÃvater erinnert, zugleich an eine genetische Kondition seiner Zukunft, ist das Fatale an seiner jungen Altersschwäche ihre Unkalkulierbarkeit. Manchmal muà er für Stunden kein Wasser lassen, manchmal alle zwanzig Minuten und dann immer sofort. In irrsinnigem Optimismus kehrte er nicht um, sondern hoffte auf ein Kundenklo. Die Nummer zehn war in seinem Leben vielleicht dreimal bei Lidl , aber daà die Firma nur an ihr groÃes, nicht an die kleinen Geschäfte ihrer Kunden denkt, hätte ihm klar sein müssen. So peste er also am ersten Tag nach seiner italienischen Neugeburt durch den Laden, wo die Zitronen blühn, im dunklen Regal die Gold-Orangen glühn, schmià in den Einkaufswagen, was auf die Schnelle zu greifen war, Waschmittel, Basmatireis, Nutella, Spülmittel, Teelichter, Zahnbürsten, Seifen, Säfte, und konzentrierte sich in der Schlange vor der Kasse mit geschlossenen Augen auf den SchlieÃmuskel um den Beckenbodenteil der Harnröhre, den zu beherrschen auch im Orgasmustraining geübt wird, wie er soeben erfährt, da er sich online mit der männlichen Anatomie vertraut gemacht hat, um in diesem Satz keine falschen Begriffe zu verwenden. SchlieÃlich ist die Nummer zehn nicht allein. Am Dienstag, dem 19. Februar 2008, sind um 2:09 Uhr 13.775.773 Menschen online, die er alle kostenlos anrufen kann. Ich vermisse Jean Paul.
Etwa einen Monat nach seiner Ankunft in Bandar Lengeh erhält der neue Leiter des Zollamts ein Telegramm, das er bis zu seinem Tod aufbewahren wird: »Mdme Carlier sagt, Edelsteinkiste, die englischer Konsul Ihnen übergab, nicht in Buschher eingetroffen. Fragt nach Grund.« Jetzt ist es passiert, denkt er sofort, genau das, was er von Anfang an befürchtet: Ich habe versagt. Nicht nur hat er keinen Schimmer, wo die Kiste stecken könnte, er kann sich nicht einmal an die Kiste erinnern â ausgerechnet die Schmuckkiste von Frau Carlier, der Witwe seines Vorvorgängers. Was tun? Der neue Amtsleiter fleht den Lagerverwalter Mirza
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