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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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die achtunddreißig Jahre vor dem Tod ab, die Briefe und Gedichte aus dem Turm mitsamt aller Zeugenberichte und Dokumente. Endlich geht es auch um Sex: Hölderlin habe zuviel onaniert, klagt dessen erster Biograph Wilhelm Waiblinger und wünscht aus Mitleid den Tod, da hat Hölderlin noch dreizehn Jahre zu leben. Wessen Biographie sich so liest, muß allerdings etwas dafür getan haben: »eine brünstige volle Seele schwellt alles an«, »Hölderlin schüttelt mich«, »Er schließt meinen Busen ganz auf – ich fühle mich dießer großen trunkenen Seele verwandt – o Hölderlin – Wahnsinn ––––– / O Hölderlin – Himmel.« Hinter den Fenstern, die geschlossen sind, weil die Bauern Gülle auf den Feldern verteilen, fröstelt der Leser am Donnerstag, dem 3. August 2007, um 1:19 Uhr bei 18,7 Grad Celsius mit langer Hose und Strümpfen auf dem rückenfreundlichen Schreibtischstuhl, den er aus Köln mitgebracht hat. Hölderlins eigene Texte wirken wie fremdgeschrieben, ja wie von einer Maschine erstellt, die Kurzbriefe an die Mutter etwa: wenige Floskeln der Ehrerbietung in beliebigen Varianten. Aber kaum ist die Maschine auf Touren, nach drei, vier höchstgestochenen Anreden, stellt sie mit einem »Ich schließe den Brief schon wieder« oder »Ich muß schon wieder abbrechen« schon wieder den Betrieb ein: »Verehrungswürdigste Mutter! / Ich schreibe Ihnen dißmal einen Brief, so gut ich kann [ja, das sieht die Mutter doch, daß er ihr einen Brief schreibt, er schreibt ihr dauernd Briefe, und immer die gleichen]. Ihre Gesundheit soll mich immer sehr angelegentlich angehen [sehr angelegentlich angehen klingt wie eine Parodie auf die eigene Sprache]. Es soll mich immer freuen wenn sie gesund sind und bleiben [oft genug schreibt er’s ihr]. Der Zusammenhang mit Ihnen wird mir immer theuer seyn [Zusammenhang mit Ihnen – in solchen Ausdrücken entblößt sich einer, gerade indem er die Form zu bewahren versucht]. Gönnen Sie mir auch in Zukunft Ihre Gunst und Güte [was die Mutter wohl gedacht hat, wenn sie die Briefe las – war sie genervt?, legte sie sie rasch weg?, weinte sie?, was tut eine Mutter, die von ihrem sechzigjährigen Sohn dauernd Briefe über den Zusammenhang mit Ihnen erhält?]. Ich breche schon wieder ab [er muß es auch sagen, daß er abbricht, wie ein Kleinkind, das im Selbstgespräch stets ankündigt, was es als nächstes tut]. Ich empfehle mich Ihrer fortdauernder Liebe / und nenne mich / Ihren / gehorsamsten Sohn / Hölderlin.« Weil ihn die Servilität ausgerechnet Hölderlins, der in der vorigen Lektüre noch in den Himmel stürmte, als eine Parabel ängstigt, schleicht sich der Leser um 2:58 Uhr lieber in den Hausflur seiner Vermieter, um noch einmal den Laptop an die Telefonbuchse anzuschließen. Die Schwester der Frau mailt, daß die Putzfrau schon wieder in der Wohnung war. Seit wer weiß wieviel Wochen kommt die Putzfrau jeden Mittwoch, obwohl Ferien sind und nur tageweise jemand zu Hause. Offenbar hat die Frau vor der Abreise vergessen, ihr Bescheid zu geben. Das ärgert ihn, so eindringlich er sich im dunklen Hausflur seiner Vermieter zuredet, daß die paar Euro keinen Gedanken wert sind, da immerhin Krieg herrscht und er ein Totenbuch schreibt, angesichts dessen … er sich dennoch über das Geld ärgert, das er für Fußböden ausgibt, die nicht gewischt zu werden brauchen, und Betten, die gemacht werden, ohne daß jemand darin gelegen. Daß er sich des Überflüssigen seines Ärgers vollständig bewußt ist, macht es noch schlimmer. »Kannst Du bitte Deine Schwester nach der Nummer der Putzfrau fragen?« mailt der Leser der Schwägerin um 3:09 Uhr zurück. Beim letzten oder einem der letzten Briefe steht statt des üblichen Punkts ein Komma hinter der Unterschrift, als würde noch etwas kommen.
 

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    Akbar Mohammadi (30. Juli 1972; 30. Juli 2006 Teheran) ( Bildnachweis )
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    Den Namen Akbar Mohammadi las ich erstmals in dem Bericht über seinen Tod. Den Abend über hatte ich im Bergischen Land Pierre Bertaux’ Biographie von Hölderlin gelesen. Bevor ich mich ins Bett legte, ging ich noch ins Haupthaus, um meine Mails auf den Laptop zu laden. Die erste Nachricht, die ich öffnete, stammte von meiner Schwägerin und löste einen Wutanfall aus, obwohl

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