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bestand damals wie heute aus sabzeh (ein Teller mit aufgegangenen Linsensprossen), samanu (eine braune Paste aus Weizen), sir (Knoblauch), serkeh (Essig), somagh (ein braunes Gewürz, das dem holzigen Aroma des Grillfleisches eine säuerliche Nuance verleiht) und sib (Apfel). AuÃerdem gehörten auf den Tisch, den die kostbarste Decke des Hauses schmückte: eine Hyazinthe, die Fruchtbarkeit symbolisiert, einige Goldmünzen (Wohlstand), ein Spiegel (Reinheit), eine Kerze (Feuer), ein bemaltes Ei (Fruchtbarkeit), ein Goldfisch im Glas (Glück) und ein Buch, in dem sich die höchste Weisheit manifestiert (in religiösen Familien der Koran, in den eher weltlich ausgerichteten Familien der Diwan von Hafis, bei den Armeniern die Bibel und so weiter). Eine Schale mit den traditionellen Isfahaner SüÃigkeiten, eine weitere Schale mit Pistazien, Nüssen und getrockneten Früchten sowie eine Karaffe mit Rosenwasser vervollständigten das haft sin . Zum Jahreswechsel, auf welche Stunde des Tages oder der Nacht er auch fiel, versammelte sich die Familie im Salon, den die Kinder sonst nie betraten, und hörte im Radio, wie erst die Minuten, dann die Sekunden abgezählt wurden. Mit dem Gongschlag von Radio Teheran erhob GroÃvater seine vertraute Gebetsstimme, worauf GroÃmutter und die Kinder in die arabische Rezitation einfielen. Alle umarmten sich und küÃten sich gegenseitig (auch die GroÃeltern?), bevor die Mutter und ihre Geschwister die Geschenke entgegennahmen, meistens Silber- und Goldmünzen, für die sie sich bei den GroÃeltern mit einem Handkuà bedankten (also doch). AnschlieÃend besuchte die Familie Hadschiyeh Esmat, GroÃvaters Mutter, um ihre Hände zu küssen (alle) und die Geschenke zu erhalten (die Kinder), zog weiter zu GroÃmutters Eltern (dasselbe Ritual) und danach zu allen anderen Verwandten (ab hier keine Handküsse, nur Geschenke), erst die älteren Verwandten, dann die jüngeren, erst die nahen, dann die fernen. Die gesamten dreizehn Tage bestanden aus Besuchen und Besuchern, aus reichlich Essen, literweise Tee, köstlichen SüÃigkeiten und für die Kinder aus Spielgruppen in immer neuen Konstellationen. Am dreizehnten Tag stand wie heute noch in allen iranischen Familien das obligatorische Picknick im Grünen an, bei dem man das sabzeh in den Fluà wirft. Die Mutter erwähnt GroÃvater im Zusammenhang mit Nouruz nur das eine Mal, wo sie notiert, daà er zum Jahreswechsel Gebete sprach (mit Sicherheit lag auf dem haft sin der Koran); mir jedoch ist wichtig zu notieren, daà sein Leben nicht nur aus dem Beruf und bedeutenden Aktivitäten wie der Pilgerreise oder der Kandidatur fürs Parlament bestand, sondern auch aus dem Selbstverständlichen wie Nouruz , das heute in Iran genauso gefeiert wird wie in den dreiÃiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, sieht man von den Handküssen ab, mit denen zwar nicht mehr den Eltern, aber den GroÃeltern Respekt erwiesen wurde, von den GroÃfamilien, die für immer neue Spielgruppen sorgten, und den Innenhöfen, in denen die Kinder Fangen spielten. Heute wohnt man als Kleinfamilie in Apartments und sind auf den StraÃen zu viele Autos, um die Kinder vor die Tür zu lassen, und wenn nicht zu viele Autos, dann zu viele Kriminelle, Drogensüchtige und Sittenwächter; heute schauen sich die Kinder meistens Videos an, amerikanische Comics oder Actionfilme, und zwar so laut, daà die Erwachsenen brüllen müssen, um sich gegenseitig zu verstehen â nein, nicht ganz so schlimm oder nicht immer, dennoch vermag ich mir beim besten Willen nicht vorzustellen, welchen Zauber die Menschen in fünfzig, sechzig Jahren beschwören, wenn sie sich an ihre Kindheit in Iran zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts und speziell die Neujahrsfeste erinnern. Sie werden schon fündig werden, wie die Menschen immer fündig wurden, um die Vergangenheit zu preisen.
Auch die Freitage im Park von Onkel Oberstleutnant, wie alle ihn nannten ( ammu sarhang ), dem Mann von GroÃmutters Schwester Badri, der seine Soldaten mit dem Jeep schickte, um GroÃmutter und die Kinder abzuholen, gehören zu GroÃvaters Leben, obwohl er fast nie daran teilnahm. Onkel Oberstleutnant war ein Mensch, der zu singen verstand, zu feiern und bestimmt auch zu trinken; er spielte wunderbar Laute, rià zotige Witze, war immer der erste auf der Tanzfläche und protzte ein
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