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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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viele Antworten zu finden und morgen eine andere als gestern. Der Roman ist von einer tiefen Ruhe, ja Heiterkeit selbst dort, wo er das Gräßlichste ausspricht, ob für den einen die Vorstellung der Vernichtung oder für den anderen die Vorstellung, ewig leben zu müssen; kein Einvernehmen, keine Schlüsse, nur der Frieden dessen, der sich nach lebenslangem Ringen mit der Ratlosigkeit versöhnt. Wem alles aus der Hand geschlagen wurde, der muß nichts mehr tragen. Wie zur Erklärung, warum der Roman federleicht wirkt, obwohl er ausschließlich vom Sterben handelt und weder Leid noch Vernichtung beschönigt , sagt Jean Paul: »Unser Leben verdankt den dürftigen Schein seiner Länge bloß dem Umstande, daß wir in die gegenwärtige Zeit die vergangne hineinrechnen; aber es kriecht zum spitzen Augenblick ein, wenn man es neben die unermeßliche Zukunft stellt, die mit einem breiten Strom auf uns zufließt, von dem aber jeder Tropfe versiegt, der uns berührt; ein Leben zwischen den beiden zusammenstoßenden Ewigkeits-Meeren, die einander weder vergrößern, noch verkleinern können.« Das ist Jean Pauls Anblick des beschirmten Himmels, das Erleben der eigenen Nichtigkeit als Erlösung. Nicht zum Rückzug führt es, nicht zur Passivität oder Depression, vielmehr zu einer nachgerade taoistischen Daseinszugewandtheit. »Es ist, als hätten die Menschen gar nicht den Mut, sich recht lebhaft als unsterblich zu denken; sonst genössen sie einen andern Himmel auf Erden als sie haben, nämlich den echten – die Umarmung von lauter Geliebten, die ewig an ihrem Herzen bleiben und wachsen – die leichtere Ertragung der Erdenwunden, die sich wie an Göttern ohne Toten schließen – das frohe Anschauen des Alters und des Todes, als des Abendrotes und des Mondscheins des nächsten Morgenlichts.«
    â€“ Welcher Tag ist heute? ruft die Ältere ins Schlafzimmer hinein, die ihr Frühstück gegessen hat. Heute, antwortet die Frühgeborene.
    Nun wird es vielleicht niemanden in Jean Pauls Umkreis gegeben haben, der die eigene Empfehlung, den Himmel auf Erden zu genießen oder die Erdenwunden leichter zu ertragen, eklatanter mißachtete als er selbst. Er arbeitete wie ein Besessener an seinen Büchern, deren Gesamtausgabe, obwohl längst schrankfüllend, auch nach zweihundert Jahren noch nicht vollständig ist, und wenn er nicht an seinen Büchern arbeitete, notierte er sich seine Einfälle auf einem eigens besonders kleinen und leichten Block, der in jede Tasche paßte, um seine Allmacht stets mit sich zu tragen, und wenn er nichts notierte, ordnete er seine Zettel, die gedruckt weitere vierzigtausend Seiten ergäben, und wenn er nicht mit dem Ordnen beschäftigt war, las er, und wenn er las, ärgerte er sich, wenn ein Buch ihm zu gut gefiel, weil er es dann sofort zu Ende lesen wollte, so daß es ihn von der Arbeit an seinen eigenen Büchern abhielt. Selbst das Trinken, das Jean Paul so exzessiv betrieb, daß es zur Attraktion für den Kulturtourismus wurde und Besucher nur deshalb nach Bayreuth kamen, um eine Berühmtheit lallen und torkeln zu sehen, selbst das Trinken diente nicht dem eigenen Wohlgefallen, sondern setzte Jean Paul in exakten, wenngleich außerordentlich hohen Dosen als Mittel ein, damit sich in bestimmten Schreibphasen die Zirkulation des Blutes und des Geistes genau so weit beschleunigte, daß die Feder eben noch mithielt. Nicht den Göttern verdankte Jean Paul seinen Enthusiasmus, sondern Schnaps und Bier, und zahlte mit dem Ruin seines Körpers: »Die Nüchternheit des Morgens ist nur eine negative Trunkenheit.« Weil die großen Städte ihm zu viele Ablenkungen boten, kehrte er in das fränkische Nest zurück, das er bis an sein Lebensende verachtete – »Bayreuth hat den Fehler, daß zu viele Bayreuther darin wohnen« –, ertrug seine Frau – »Wenn sie eine Gans isset, bleibt doch immer eine übrig« – und richtete sich in dem Haus-, Ehe- und Pantoffelleben ein, das die wenigsten Störungen bot: »Man darf nicht wünschen, eine andere Frau geheirathet zu haben, wenn die Kinder der jetzigen gesund und trefflich sind.« Ich frage mich, wann Jean Paul eigentlich die Landschaften betrachtete, die er so herrlich beschrieb, wann die großen und kleinen Dramen oder auch nur die Langeweile erlebte, denen er einen so präzisen

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