Dein Name
beschäftigt ist, nur aus sich selbst schöpft, nur mit sich selbst spricht, nur auf den eigenen Bildschirm starrt, auf dem man sich immer nur selbst liest. Und darin soll die Welt sein? Ja, das ist mehr als nur Hybris, von den gegenüberliegenden Balkonen aus betrachtet ist vielleicht schon Selbstvergötterung dabei, nur ich selbst, ich nehme es natürlich ganz anders wahr und interessiere mich gar nicht für mich, sondern schreibe nur auf, was vor und hinter meinen Augen an mir vorüberzieht, und die AnmaÃung, die ich zugebe, liegt nicht darin, daà ich mich selbst betrachte, das tue ich bestimmt nicht oder nur in schlechten Momenten, denn wenn schon Jean Paul sich für einen Wicht hält, was kann ich dann wohl sein?, ein Wichtelchen oder, um es auf die persische Weise zu sagen, der ich nicht einmal der Hund in der Gasse Jean Pauls bin, die AnmaÃung liegt darin, daà ⦠â »Die Hunde sind die Nachtigallen der Dörfer« â herrje, dann eben: dann eben nicht der Hund, sondern der ich nicht einmal die Laus im Fell des Hundes in der Gasse Jean Pauls bin, die AnmaÃung lie⦠â »Eine Laus hat mehr Ahnen als ein Elefant.« Kann Jean Paul mich nicht einmal einen Gedanken zu Ende bringen lassen? Ich frage mich, wie man nur mit einem Roman vorankommen will, wenn man nebenher Jean Paul liest. Wo war ich noch stehengeblieben? Ach ja: Wenn Jean Paul schon ein Wicht ist, was kann ich dann wohl sein? Ein Hund, eine Laus ⦠die AnmaÃung liegt darin, daà ich von mir aus â aber von wo sonst? â, nur von mir aus am Schreibtisch vor dem Computer und vielen Büchern eine ganze Welt sehe, daà ausgerechnet von mir aus die ganze Welt betrachtet werden soll. Die Welt wäre genauso vollständig von jedem anderem Ich aus zu betrachten, das glaube ich ganz fest, nur daà die wenigsten Bericht erstatten. »Als ob die Wahrheit aus dem Leben eines solchen Mannes etwas anderes sein könnte, als daà der Autor ein Philister gewesen!« sagte Goethe zu Eckermann über Jean Pauls postume Sammlung Die Wahrheit aus Jean Paulâs Leben . Daà sein äuÃeres Leben in der fränkischen Provinz philisterhafte Züge trug, hätte wahrscheinlich nicht einmal Jean Paul selbst bestritten, nur wäre es ihm selbst nicht der Rede wert und ist es niemals Gegenstand seiner Betrachtung gewesen: »Mein Leben kann nur ich beschreiben, weil ich das Innere gebe; das von Göthe hätte ein Nebenherläufer beobachten und also mittheilen können.« Goethe schrieb sein Leben auf, Jean Paul eines, in dem alles Leben sich fand. »Das Ich gilt, aber nicht mein Ich.« Die Weltzugewandtheit, die Jean Paul seinen Lesern empfahl, praktizierte er selbst nur am Schreibtisch. In seinen Zettelkästen und Romanen versenkte er sich in der Natur und den Menschen, vergaà sich im Schreiben wie Musiker in der Improvisation oder Mystiker im Tanz, verhedderte sich in seinen Motivketten und Extrazeilen, begeisterte sich an seinen Metaphern, aus denen sich immer weitere ergaben, verlief sich wie wir als Kinder in Tschamtaghi in seinen Romanen, in denen sich das Erhabenste und Alltäglichste auf ein und derselben Seite ereignet, wie schlieÃlich im Leben auch alles gleichzeitig ist. Ganze Absätze lang gab er sich dem Inventar einer Gaststätte oder der Physiognomie einer Nase hin, nicht einmal das Niesen schien ihm zu geringfügig, um dessen »Kunst und Notwendigkeit« noch ausführlich zu würdigen: »Kein Mensch hat es noch in Druk bemerkt, daà es ein Vergnügen ist, zu niesen.« Jean Paul hat als erster Dichter auch auf das Niesen geachtet, hätte auch für das Niesen den Erzählfaden genauso wie eine Vorlesung unterbrochen.
â Ich meinte doch nicht für andere, sagt der Musiker in München, dem der Freund aus Köln am Montag, dem 3. Mai 2010, um 10:38 Uhr angekündigt hat, ihm vielleicht im Laufe des Sommers, vielleicht auch erst später eine lesbare Fassung des Romans zu geben, den ich schreibe: Ich meinte, daà du Zeuge bist, damit ich selbst glaube und später glauben würde, was geschah. Als Nasrin Azarba schon gestorben war, hatte der Freund angedeutet, sich Notizen zu machen, sich immer Notizen zu machen, aber wie genau er es formuliert hatte, wuÃte er nicht, und sprach es seitdem nicht mehr an, nur dem Bildhauer gegenüber, der ebensowenig vorauszusagen wuÃte, wie der Musiker reagieren
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