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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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gesessen, in einer Ecke, die Vorhänge waren zugezogen gewesen, so dass sie ihn im Halbdunkel zunächst kaum wahrgenommen hatte. »Sie ist weg«, hatte er geflüstert, die Stimme heiser. Vielleicht war er zu ihr gekommen, weil Caroline ihre engste Freundin gewesen war. Vielleicht hatte er gehofft, dass sie sich ihr anvertraut hatte, sie hatte ihn nie danach gefragt, denn Maybrit war genauso überrascht, genauso überrumpelt gewesen wie er. Genauso fassungslos. Sie hatte später oft darüber nachgedacht, warum sie ihn nicht fortgeschickt hatte, wie sie es vermutlich mit jedem anderen getan hätte, aber vermutlich hatte sie damals schon gespürt, wie ähnlich sie sich im Grunde waren, viel ähnlicher als Ulf und seine Schwester Irene, die nie wirklich Zugang zueinander gefunden hatten.
    Sie dachte bis heute nicht gern über die Zeit nach, die dann gefolgt war. Über ihre vergebliche, monatelange manische Suche nach Caroline und Ulfs Drogen- und Alkoholexzess, mit dem er versucht hatte, seinen Schmerz zu betäuben. Er hätte sich damals umgebracht, wenn sie nicht eingeschritten wäre. Sie hatte nie mit jemandem darüber gesprochen, was sie in dieser Zeit, in der sie um ihn und mit sich gekämpft hatte, über ihn und auch sich selbst erfahren hatte. Sie allein kannten die wahre Geschichte.
    Fünf Tage hatte sie ihn eingesperrt. Er hatte ihr gedroht, er hatte geheult und gebettelt, doch sie hatte nicht nachgegeben. Es waren die längsten fünf Tage in ihrem Leben gewesen, und es hatte danach weitere zwei Wochen gedauert, wieder einen Menschen aus ihm zu machen. Danach war er gegangen. Sie hatte keine Ahnung gehabt, wohin. Drei Wochen später hatte sie Post bekommen. Aus Stockholm. Sie hatte seine Handschrift auf dem Umschlag erkannt, ihn nervös aufgerissen und den Briefbogen aufgefaltet, auf dem nur zwei Worte gestanden hatten: Danke, Ulf.
    Erst ein Dreivierteljahr später war er ins Tal zurückgekommen, um seine Eltern zu besuchen. Maybrit hatte ihn gesehen und die Veränderung bemerkt, die Distanz gespürt. Sie hatte nicht versucht, sie zu durchbrechen. Die Nähe, die sie zwangsläufig in der Zeit seines Entzugs miteinander erlebt hatten, war ihnen beiden im Nachhinein unangenehm, und in schweigendem Einverständnis berührten sie das Thema nicht. Sie sprachen überhaupt nicht über die Vergangenheit. Und niemals mehr über Caroline.

20.
    S ie hatte es getan. Unumwunden hatte sie den Mord zugegeben. Trotz all seiner Überlegungen, trotz aller Beweise hatte er sich doch fern jeder Logik an die Hoffnung geklammert, dass es sich um einen Fehler, einen Irrtum der Behörden handelte und dass Caroline ihn verzweifelt bitten würde, ihr zu helfen, diesen Irrtum aufzuklären. Stattdessen hatte sie ihm ruhig und ohne mit der Wimper zu zucken die grausame Tat gestanden.
    Ulf wusste, was es bedeutete, einen Menschen zu töten. Ein Leben zu beenden. Und er wusste, wie es war, Menschen gegenüberzusitzen, die getötet hatten. Menschen, die aus Angst vor der Strafe die Tat hartnäckig leugneten. Die, wenn sie einmal ihr Schweigen gebrochen hatten, nicht mehr aufhören konnten zu reden und weinend zusammenbrachen angesichts der Schwere der Schuld, die sie auf sich geladen hatten. Einen Menschen zu töten war nichts, was man einfach wegsteckte. Selbst jenen, die aus vermeintlich kühler Berechnung handelten, kaltblütig und überlegt, hatte er ihre Gefühllosigkeit nie abgenommen – wenn getötet wurde, waren immer Emotionen im Spiel. Ob bewusst oder unbewusst. Wie konnte Caroline so gleichmütig vor ihm sitzen, ihm einen Mord gestehen und ihm dabei in die Augen sehen? Der Polizist in ihm hatte jede ihrer Regungen intuitiv registriert und gewertet. War sie eine so gute Schauspielerin?
    Irgendwo tief in ihm regte sich Zorn. Er kämpfte dagegen an. Er musste einen klaren Kopf behalten, durfte sich davon nicht überwältigen lassen. Er wusste nicht einmal, ob es überhaupt Mord war. Ein Mord implizierte Planung, Heimtücke. Er kannte Caroline als impulsiv, durchaus unbeherrscht, aber sie hatte auch immer ein ausgeprägtes Rechtsbewusstsein besessen. War sie zu Totschlag im Affekt fähig? Irritiert schüttelte er den Kopf. Solange er keine näheren Details zu dem Fall kannte, waren all diese Überlegungen völlig spekulativ. Bislang wusste er nur, dass sie diesen Mann, der ihre, seine Tochter überfahren hatte, getötet hatte. Erschossen. Woher hatte sie die Waffe gehabt? Sie würden darüber reden müssen. In Ruhe.
    Er hörte, wie die

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