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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Finger, die einen Revolver umfasst und den Abzug gezogen hatten, um ein Menschenleben auszulöschen, hatte sich ihm unwiderruflich eingebrannt.
    Eine dieser Hände ruhte jetzt auf dem Kopf des Hundes, der sich neben ihr ausgestreckt hatte. Gedankenverloren strich sie mit den Fingern durch das schwarze Fell. Niemand, der sie so sah, würde ihr einen Mord zutrauen. Sie war noch immer zart wie in ihrer Jugend, fremd und fast unheimlich war nur die Stille, in die sie sich bisweilen von einem Moment auf den anderen einhüllte, aus der sie aber ebenso unvermittelt wieder auftauchen konnte, wie jetzt, als sie plötzlich aufsah und ihn ohne weitere Einleitung fragte: »Woher wusstest du, dass ich in Schweden bin?«
    Eine unverfängliche Frage, doch angesichts der prekären Umstände zögerte er mit einer Antwort. Vor wenigen Jahren erst hatte er einen jungen Ermittler vom Dienst suspendieren lassen, weil dieser Privates und Dienstliches nicht hatte trennen können. Es war richtig gewesen, ohne Zweifel, aber jetzt schämte er sich der Arroganz, mit der er dem jungen Mann damals begegnet war. Wie hatte er nur annehmen können, dass ihn seine langjährige Berufserfahrung vor einer solchen Zwickmühle bewahren würde? »Du bist geblitzt worden«, entgegnete er wider besseren Wissens. »In der Nähe von Karlstad.«
    Sie verzog schmerzlich das Gesicht, und er ahnte, was ihr durch den Kopf ging. Die deutschen Behörden hatten nur eins und eins zusammenzählen müssen.
    Im Kamin krachte ein Scheit herunter, so dass für einen Moment das Feuer aufflackerte. Das Licht offenbarte die Anspannung, die in Carolines Zügen lag. »Warum hast du den Haftbefehl zurückgehalten?«, fragte sie weiter.
    Er sagte nichts, und wie es schien, war sein Schweigen ihr Antwort genug, denn sie senkte den Blick und biss sich auf die Lippen, um ihre Verlegenheit zu kaschieren. »Aber du wusstest schon davon, als du hergekommen bist, oder?«
    »Ich habe erst gestern Morgen davon erfahren«, entgegnete er zurückhaltend.
    Überrascht sah sie auf, aber dann erklärte sich ihr seine plötzliche Reserviertheit. Ihre Erleichterung war spürbar und äußerte sich in einem spontanen Lächeln, einem schnellen Augenaufschlag, und einen Atemzug lang erspähte er die unbekümmerte, lebenslustige Caroline hinter der ernsten Fassade, dieses flüchtige Geschöpf, das er einmal geliebt hatte und noch immer begehrte. Er zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden, sah auf seine Uhr und räusperte sich. »Es ist schon spät, wir sollten ein paar Stunden schlafen.«
    »Das wollte ich schon vor einer Stunde vorschlagen.«
    »Na, dann …« Er machte Anstalten aufzustehen, aber sie wehrte ab.
    »Lass nur«, sagte sie, »ich hole die Decken.« Der Hund folgte ihr, als sie hinausging.
    Ulf schuf den nötigen Platz vor dem Kamin und brachte das Geschirr in die Küche. Sie würden beide im Wohnzimmer schlafen müssen, da es der einzige Raum war, den sie heizen konnten. Als er zurückkam, hatte Caroline bereits die Decken ausgebreitet und die Kerzen gelöscht. Das Zimmer lag fast im Dunkeln, und das flackernde Kaminfeuer warf tanzende Schatten über die Bücherregale. Er blieb davor stehen und strich flüchtig mit den Fingern über die vertrauten Buchrücken, spürte Leder und altes Leinen und die Prägung der Buchstaben. »Bücher sind ein Zeitvertreib für Menschen, die nichts zu tun haben«, hatte sein Vater gern spitzfindig geäußert, wenn er seinen Sohn am helllichten Tag lesend erwischte. Ulf, den die Welten zwischen den Buchdeckeln seit der Kindheit faszinierten, hatte, des Spotts müde, im Laufe der Jahre gelernt, seine Leidenschaft vor der Familie zu verbergen. Die Bibliothek in Carolines Haus war für ihn zu einem unerschöpflichen Fundus geworden. Viele Nachmittage hatte er hier lesend auf der Couch verbracht.
    »Du starrst auf die Bücher, als wüsstest du noch genau, wo welches steht.« Ohne dass er es gemerkt hatte, war sie neben ihn getreten.
    Er zog blind einen Band aus dem Regal und reichte ihn ihr. »Forrester, Horatio Hornblower.«
    Sie trat an den Kamin und schlug das Buch auf. »Tatsächlich. Diese alten englischen Marinegeschichten.« Sie sah zu ihm auf. »Du hast sie damals verschlungen.«
    »Ich habe sie geliebt, aber welcher Junge hat das nicht?« Er nahm ihr das Buch wieder ab, blätterte darin und atmete den vertrauten Geruch, der aus dem alten Band aufstieg. »Es ist beruhigend, dass die Bücher noch hier sind«, sagte er und stellte den Roman an seinen

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