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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Platz zurück. »Jedes für sich birgt ein Stück Erinnerung nicht nur an die Geschichten, die darin stehen, sondern auch an die Orte und die Umstände, unter denen ich sie gelesen habe.«
    Caroline lächelte verständnisvoll. »Mir ist es genauso ergangen«, bekannte sie. »Ich habe die Bücher gesehen und mich nicht mehr allein gefühlt …«
    Nicht mehr allein. Es schmerzte ihn, sie das sagen zu hören. Schon früher hatte sie es gehasst, allein zu sein. Wie hatte sie die Zeit ausgehalten seit Liannes Tod? Thomas, der Mann, den sie hatte heiraten wollen, hatte ihr die Einsamkeit nicht nehmen können. Hätte sie ihn sonst verlassen? Und hätte sie getötet, wenn jemand an ihrer Seite gewesen wäre, der sie davor bewahrt hätte, ins Leere zu stürzen?
    Wenn er sich nur nicht so hilflos fühlen würde. Seine Überlegungen führten zu nichts außer der Erkenntnis, dass er zu spät gekommen war. Nach achtundzwanzig Jahren vier Wochen zu spät. Er widerstand der Versuchung, seinen Arm um sie zu legen und mit ihr über all die Dinge zu reden, die ihm auf dem Herzen lagen. Es war auch so schon kompliziert genug, waren das nicht ihre Worte gewesen?
    »Lass uns schlafen gehen«, sagte er deswegen nur.
    *
    Er lag in der vom Kaminfeuer schwach erleuchteten Dunkelheit, lauschte Carolines ruhigen Atemzügen und fragte sich, wieso er aufgewacht war. Es war nichts zu hören außer dem leisen Flackern des Feuers und dem Atem des Hundes, der sich irgendwo in der Mitte des Raums ausgestreckt hatte, nachdem sie ihn von seinem Platz vor dem Kamin vertrieben hatten. Und dem Sturm, der noch immer um das Haus heulte. Doch dann hörte er Carolines Stimme. Sie sprach leise im Schlaf. Hatte sie ihn geweckt? Er drehte sich zu ihr. Sie lag auf der Seite, nicht mehr als einen halben Meter entfernt, und ihre Lippen bewegten sich, ohne dass er verstehen konnte, was sie sagte. Im Schlaf sah sie jünger aus, verletzlich, und die Verlockung war groß, sie zu berühren. So wie früher, wenn seine Hände ihren Körper erkundet hatten, bis sie aufgewacht war und ihn in sich aufgenommen hatte, als gäbe es nichts Natürlicheres auf der Welt. Nie wieder hatte sich weibliche Haut so warm und so anschmiegsam unter seinen Fingern angefühlt, nie wieder hatte er sich so eins gefühlt mit einer Frau. Was würde sie tun, wenn der Sturm nachließ und er nach Stockholm zurückkehren musste? Wohin würde sie gehen? Er wagte nicht, sie zu fragen. Es war besser, er wusste nichts von ihren Plänen.
    Während er sie noch betrachtete, verzog sie das Gesicht, und ihr Atem ging schneller. Unvermittelt stöhnte sie auf. »Nein!«, rief sie. »Nicht!«, und ihre Hände drückten etwas weg, das er nicht sehen konnte.
    Er zögerte nicht, griff nach ihrer Schulter und schüttelte sie. »Lilli! Wach auf!«
    Sie schlug nach ihm. »Nicht! Geh weg!«
    »Lilli! Ich bin es, Ulf!«
    Sie riss ihre Augen auf und starrte ihn leer an. »Geh!«, stieß sie erneut hervor.
    »Lilli! Komm zu dir!«
    Ihr Blick fokussierte sich, ihr Widerstand erlahmte. »Ulf?«
    »Ja, ich bin es, Liebes. Du hast geträumt. Nur geträumt.« Er zog sie unter seine Decke und in seinen Arm, und sie klammerte sich an ihn wie ein Kind.
    »War es so schlimm?«, flüsterte er.
    Lange erwiderte sie nichts. »Es ist immer derselbe Traum«, flüsterte sie schließlich. »Aber ich habe ihn seit Wochen nicht geträumt. Nicht seitdem ich hier bin.«
    »Erzähl mir davon.«
    Sie schüttelte ihren Kopf, der an seiner Brust lag.
    »Lilli …«
    »Sag nichts«, bat sie leise. »Halt mich einfach nur fest. Lass mich nicht los.«
    Er drückte sie an sich, und durch den Stoff ihres T-Shirts spürte er ihren Körper, weich und warm vom Schlaf. Wie konnte er sie jemals wieder loslassen? Wie von selbst strichen seine Lippen über ihr Haar, berührten ihre Lider, ihre Wangen und suchten ihren Mund, diese trotzige Bastion, dessen Anblick allein ihn verrückt machte. Sein Verstand tobte, warnte, flehte, doch er ignorierte ihn und küsste sie, spürte, wie ihre Lippen sich öffneten und ihr Körper auf schmerzlich vertraute Weise auf den seinen reagierte. »Ich habe dich vermisst«, flüsterte er und kapitulierte endgültig vor ihrer Nähe und seinem Verlangen, »ich habe dich so entsetzlich vermisst.«

24.
    E s fühlte sich an, als wären sie niemals getrennt gewesen. Es gab nur noch den Moment: atemlos geflüsterte Wortfetzen zwischen zwei Küssen, seine Hand warm auf ihrer Hüfte, seine Lippen auf der nackten Haut ihrer Schulter.

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