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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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ein unerträglicher Schmerz von seinem Bein aus durch den ganzen Körper. Der Atem des Tiers schlug ihm entgegen und verursachte ihm Übelkeit. »Geh runter«, stieß er hervor. »Geh!«
    Das Tier winselte leise, dann war es, als würde eine Zentnerlast von seinem Brustkorb genommen. Er schlug die Augen auf und blickte in die dunkelbraunen Augen des Hundes. Er lag jetzt neben ihm, und die Zunge hing ihm aus dem halb geöffneten Maul heraus.
    »Es tut mir leid, alter Freund«, sagte Ulf leise.
    Der Hund machte Anstalten aufzustehen, brach aber mit einem Winseln wieder zusammen. Erneut spürte Ulf die große, feuchte Zunge in seinem Gesicht. Er wandte den Kopf ab, versuchte nachzuvollziehen, was geschehen war. Caroline hatte aus nächster Nähe mit einem Gewehr auf ihn geschossen. Himmel, sie hatte es tatsächlich getan! Und dann war sie aus dem Haus gelaufen und hatte ihn allein zurückgelassen. Er tastete mit seinen Händen auf dem Boden neben sich, spürte den massigen Körper des Hundes, daneben klebrige Feuchtigkeit. Ohne dass er die Hand vor seine Augen heben musste, wusste er, dass es Blut war. Vermutlich seins und das des Hundes. Auf der anderen Seite fanden seine suchenden Finger nichts außer einer leeren Verpackung. Er griff danach, zog sie zu sich heran und starrte darauf. »Scheiße«, stöhnte er, als er begriff, was er in Händen hielt, und die Erinnerung an die letzten Augenblicke mit Caroline wieder lebendig wurde. Wie lange war er ohnmächtig gewesen? Er konzentrierte sich und lauschte, ob er das leise Knacken des Feuers hören konnte. Totenstille. Er drehte den Kopf zurück zu dem Hund, der sich nicht mehr rührte. Ulf zwang sich, einen klaren Kopf zu behalten, bei Bewusstsein zu bleiben. Er musste an sein Telefon gelangen, Hilfe rufen, doch bei der geringsten Bewegung rollte eine solche Schmerzwelle durch ihn hindurch, dass ihm erneut schwarz vor Augen wurde. Er atmete dagegen an, biss die Zähne zusammen und dachte an Caroline. Sie würde sterben, wenn er es nicht schaffte. Mit beiden Händen griff er über die Rückenlehne der Couch. Mit einem Aufschrei zog er sich an dem Möbel hoch. Schmerz schoss durch sein Bein und raubte ihm den Atem. Mit aller verbliebener Kraft grub er seine Finger in das alte Leder. Er war schweißgebadet und zitterte am ganzen Körper, als er endlich stand. Wie viel Blut hatte er verloren? Die angetrocknete Lache zu seinen Füßen erschien ihm riesig, fast ein ganzer Quadratmeter, aber es sah immer nach mehr aus, als es tatsächlich war. Der Hund lag zur Hälfte darin. Er hatte die Augen geschlossen, und obwohl Ulf nur verschwommen sehen konnte, bemerkte er erleichtert das leichte Heben und Senken seines Brustkorbs.
    Ulf stützte sich schwer auf die Couch und sah zum Fenster, während er wartete, dass der Schmerz in seinem Oberschenkel abebbte. Der Winkel, in dem die Sonne in den Raum schien, hatte sich deutlich verändert. Es mussten mindestens zwei, eher sogar drei Stunden vergangen sein, seit Caroline das Haus verlassen hatte. Er blickte auf sein Handy auf dem Couchtisch. Lächerliche vier Schritte entfernt. Es blinkte. Jemand hatte versucht, ihn anzurufen. Er musste es schaffen. Er durfte keine Zeit verlieren. Er brauchte drei Anläufe.
    Dann, endlich, halb bewusstlos vor Schmerz und Erschöpfung, hielt er das Gerät in Händen, aber seine Finger zitterten so sehr, dass er das Touchpad nicht bedienen konnte.
    »Ruhig«, mahnte er sich selbst und zwang sich, den Schmerz zu ignorieren, das Blut, die aufkeimende Panik. Jede Minute zählte. Mit beiden Händen hielt er das Telefon umklammert. Er musste die Wahlwiederholung drücken. Håkans Nummer war die letzte, die er angerufen hatte. Seine Finger rutschten über den kleinen Bildschirm. Die Verbindung wurde hergestellt. Geh endlich ran, flehte er. Aber Håkan ging nicht ans Telefon. Ulfs Finger krampften sich um das Handy, als er der neutralen Stimme der Mailboxansage lauschte. »Ich bin es, Ulf«, stieß er schließlich hervor. »Håkan, ihr müsst sofort kommen! Lilli … sie …« Seine Stimme versagte. Das Telefon glitt ihm aus den Fingern. Erneut wurde er ohnmächtig.

32.
    » H åkan, ihr müsst sofort kommen! Lilli … sie …«
    Es war achtundzwanzig Jahre her, dass Maybrit ein solches Entsetzen in Ulfs Stimme gehört hatte. Sie hatte geahnt, dass etwas Schlimmes passieren würde. Schon vor drei Nächten, als Ulf Caroline aus dem Fjällkrogen gefolgt war, hatte sie das sich nähernde Unglück gespürt. Dennoch

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