Deine Juliet
Verwendung mehr für uns gehabt und uns getötet.
Elizabeth und ich gingen jeden Morgen um sechs Uhr mit unserer Gruppe zu der Siemens-Fabrik, wo wir arbeiteten. Sie lag außerhalb des Lagers. Dort schoben wir Handkarren zum Abstellgleis und luden schwere Metallplatten auf die Karren. ZuMittag bekamen wir dicke Mehlpampe und Erbsen und gingen zum Appell um sechs Uhr ins Lager zurück. Zum Abendessen gab es Steckrübensuppe.
Unsere Aufgaben wechselten, je nachdem, was gebraucht wurde, und eines Tages wurde uns befohlen, einen Graben zu schaufeln, um darin Kartoffeln für den Winter zu lagern. Unsere Freundin Alina stahl eine Kartoffel, ließ sie aber zu Boden fallen. Alle mussten mit Graben aufhören, bis die Aufseherin den Dieb ausfindig machte.
Alina hatte Geschwüre an der Hornhaut, und die Aufseherinnen durften das nicht bemerken – sie hätten vielleicht gedacht, dass Alina blind wird. Elizabeth sagte schnell, dass sie die Kartoffel genommen hätte, und wurde für eine Woche in den Strafbunker geschickt.
Die Zellen in diesem Bunker waren sehr klein. Eines Tages, während Elizabeth dort war, öffnete ein Wächter die Türen von allen Zellen und richtete Hochdruckwasserschläuche auf die Gefangenen. Der starke Strahl drückte Elizabeth zu Boden, aber sie hatte Glück, dass das Wasser nicht ihre zusammengefaltete Decke erreichte. Nach einer Weile konnte sie aufstehen und sich unter ihre Decke legen, bis das Zittern aufhörte. Ein junges, schwangeres Mädchen in der Zelle nebenan hatte nicht so viel Glück oder war zu schwach, um wieder aufzustehen. Sie starb in jener Nacht, festgefroren am Fußboden.
Vielleicht sage ich zu viel, Dinge, die Sie lieber nicht wissen möchten. Aber es muss sein, damit Sie wissen, wie Elizabeth gelebt hat – und wie sehr sie an ihrer Liebenswürdigkeit und ihrem Mut festgehalten hat. Ich möchte gern, dass ihre Tochter das alles weiß.
Nun muss ich Ihnen erzählen, wie sie starb. Die meisten Frauen bekamen nach ein paar Monaten im Lager ihre Blutung nicht mehr. Aber nicht alle. Die Lagerärzte hatten keine Vorsorge für die Hygiene der Gefangenen während dieser Zeit getroffen – keine Stofffetzen, keine Damenbinden, keine Seife.Den Frauen, die ihre Menstruation hatten, lief das Blut einfach an den Beinen herunter.
Den Aufseherinnen gefiel das, dieses ach so unansehnliche Blut, so hatten sie einen Vorwand zu schreien und zu prügeln. Bei einem Abendappell begann eine Frau namens Binta, ein blutendes Mädchen zu beschimpfen. Beschimpfte sie und bedrohte sie mit dem Stock in der Hand. Dann schlug sie das Mädchen.
Elizabeth brach aus unserer Reihe aus – schnell, sehr schnell. Sie riss Binta den Stock aus der Hand und ging damit auf sie los, traf sie wieder und wieder. Wächter rannten herbei, und zwei von ihnen schlugen Elizabeth mit ihren Gewehren zu Boden. Sie warfen sie in einen Lastwagen und brachten sie wieder in den Strafbunker.
Einer der Wächter erzählte mir, dass die Soldaten am nächsten Morgen einen Ring um Elizabeth bildeten und sie so aus der Zelle brachten. Vor den Lagermauern stand ein Pappelhain. Die Zweige bildeten eine Allee, und Elizabeth ging allein hindurch, ohne Hilfe. Sie kniete sich auf den Boden, und sie schossen ihr in den Hinterkopf.
Ich will nun schließen. In der Zeit nach dem Lager, als ich krank war, spürte ich meine Freundin oft neben mir. Ich hatte Fieber, und ich stellte mir vor, dass Elizabeth und ich auf einem kleinen Boot nach Guernsey segelten. Das hatten wir uns in Ravensbrück ausgemalt – wie wir zusammen in ihrem Häuschen wohnen würden, mit ihrer kleinen Kit. Es half mir einzuschlafen.
Ich hoffe, Sie spüren Elizabeth an Ihrer Seite, so wie ich es tue. Sie hat ihre Stärke nicht verloren, und auch nicht ihren Verstand, niemals – sie hat nur eine Grausamkeit zu viel mit angesehen.
Aufrichtig,
Ihre Remy Giraud
Begleitschreiben von Schwester Cécile Touvier, dem Umschlag mit Remys Brief beigelegt
Die Ihnen hier schreibt, ist Schwester Cécile Touvier, Krankenschwester. Ich habe Remy nun dazu bewegt, sich hinzulegen. Ich sehe diesen langen Brief nicht gern. Aber sie bestand darauf, ihn zu schreiben.
Sie wird Ihnen nicht erzählen, wie krank sie gewesen ist, darum will ich es tun. Kurz bevor die Russen in Ravensbrück eintrafen, befahlen diese dreckigen Nazis allen, die noch laufen konnten, zu gehen. Öffneten die Tore und entließen sie in das zerstörte Land. «Geht», befahlen sie. «Geht – seht zu, ob ihr
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