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Deine Stimme in meinem Kopf - Roman

Deine Stimme in meinem Kopf - Roman

Titel: Deine Stimme in meinem Kopf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deuticke
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auf der Straße, trafen wir auf die Bassistin. Die spürte, dass etwas nicht stimmte, und fragte mich, ob ich mit zu ihr kommen wolle. Er ließ mich mit ihr gehen. Ich betrat ihr Loft, in dem all diese Hippie-Musiker herumhingen, und sie bettete mich auf ihr Sofa, und ich sagte, ohne zu heulen oder so, ich sagte nur ganz sachlich: ›Ich glaube, ich hatte gerade Sex.‹
    Es war nicht der Vorfall an sich, über den ich mich so aufregte, sondern dieses Wort. Dann war ich total weggetreten, und als ich wieder zu mir kam, sagte sie: ›Ich habe die ...‹«
    Echt, diese Stelle mag ich gar nicht. Diese Stelle behagt mir ganz und gar nicht, aus diversen Gründen. Mir kommen die Tränen.
    »Sie sagte: ›Ich habe die Vergewaltigungshotline angerufen.‹ Aber ich hatte sie nicht darum gebeten.«
    Endlich hebt Dr. R den Kopf. »Wie auch? Sie waren ja bewusstlos.«
    Ich zucke die Schultern.
    »Als er Ihnen die Hose runterzog, baten Sie ihn da, aufzuhören?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Weil ich keinen Sex wollte.«
    »Aber er hat nicht aufgehört?«
    »Nein. Ich denke, ich wollte ihn schon. Aber nicht so. Ich hatte noch nie was mit ’nem Jungen gehabt. Aber ich glaube, das Schlimmste für mich war, dass ich meine platinblonde Schönheit verlor. Ich schrieb ihr Liebesbriefe, doch sie hat nie geantwortet. Wie ich von der Bassistin erfuhr, hatte er seiner Frau erzählt, ich hätte ihn angemacht, und da sei er schwach geworden.«
    Ich weiß noch, dass ich im Flieger so wund war, dass ich kaum sitzen konnte.
    Ich weiß auch noch, dass – bevor ich auf dem Sofa der Bassistin bewusstlos wurde – einer ihrer Mitbewohner Leonard Cohen spielte, indem er verschiedene Songtexte von Cohen verknüpfte, in denen er eine nackte Frau besang. Mein Dad und ich hatten ihn im Vorjahr in der Royal Albert Hall gesehen. Und jetzt war Leonard Cohen mein Nachspiel von etwas, das ich Dad nicht erzählen konnte. Verknüpfungen und Bänder, Menschen, die Dinge wissen, ohne sie zu kennen. Ich werde Leonard für den Rest meines Lebens lieben. Mit Lidern schwer von Jägermeister und einem glühenden Brennen in der Vagina, die letzte Stimme, die ich hörte ...
    »Doch wie dem auch sei«, erkläre ich Dr. R resolut, »Sex im Stehen mag ich sowieso nicht.«
    Ich würde jetzt gern das Thema wechseln.
    »Lustig, dass man verschiedene Stellungen mit bestimmten Lovern in Verbindung bringt, wenn man erstmal alt genug ist. Es gibt zum Beispiel ›den, der immer wollte, dass ich mich auf sein Gesicht setze‹. Dann ›den, der mich immer oben haben wollte, mit abgewandtem Gesicht, damit er meinen Arsch sehen konnte‹. Bianca sagt, dass diese Stellung ›Umgekehrtes Cowgirl‹ heißt.«
    Dr. R errötet. Ich will nicht, dass er meinetwegen rot wird, und versuche, Witze zu machen, indem ich Sexpositionen erfinde, um ihn zum Lachen zu bringen: »Extravagantes Autotelefon« oder »Rheumatisches Kätzchen«.
    Er unterbricht mich. »Egal, wie Sie es jetzt nennen, es war eine Transgression. Hätten Sie schon zehn Jahre Sex hinter sich gehabt, wäre es vielleicht nur grober Sex gewesen. Aber es war Ihr erstes Mal.«
    »Stimmt.«
    Tatsache ist: Er hat mich entjungfert. Auf unschöne Art. Aber ich verlor auch
sie
, und das tat mehr weh. Sie war mit mir in ihre Lieblingsdrogerie gegangen, wo ich dieselbe Feuchtigkeitscreme kaufte wie sie, weil sie nach ihr roch. Ich nahm die Creme mit nach Hause, nach London, und wollte sie täglich benutzen. Und wenn der Tiegel leer war, wäre auch alles vergessen, was ich in San Francisco erlebt hatte. Aber ich brachte es nie über mich, den Tiegel zu öffnen. Er steht immer noch unter dem Waschtisch im Haus meiner Eltern, in dem Bad, das ich als Kind benutzte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Creme noch gut riecht, habe aber Angst, sie aufzumachen. Aber manchmal, wenn ich zu Hause bin, betrachte ich sie und kann sehen, dass sich eine Ölschicht abgesetzt hat. Etwas ist nach oben gestiegen.«
    »Das könnten Sie als schöne Allegorie sehen.«
    »Nein. Wenn ich es anschaue, merke ich, dass etwas darin tot ist, und das muss Walfischfett sein.«
    »Die Creme ist aus San Francisco. Da ist sie vermutlich rein pflanzlich.«
    »Okay«, räume ich ein. »Okay, Sie haben gewonnen, Sie Optimist!«
    Unsere Zeit ist um.

11. Kapitel
    Dr. R und ich knüpfen an die letzte Sitzung an. Ich erzähle ihm von meiner ersten Liebe, einem Mann, für den ich definitiv nicht die erste Liebe und eigentlich gar keine Liebe war. Es war ein paar Monate nach San

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