Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
einzige Faden, der noch hielt, war der zu Achim. Sollte sie um des lieben Friedens willen die Augen schließen, bis er diese Schenkung selbst zur Sprache brachte? Nein! Sie musste da jetzt durch. Clara griff zum Telefon und wählte Achims Nummer. Er meldete sich beinahe sofort.
»Guten Morgen, Achim. Es gibt ein Thema, über das wir reden sollten.« Es gelang ihr nicht, ruhig zu bleiben. Sie hörte selbst den aufgebrachten Klang ihrer Stimme.
»Hallo Clara. Alles in Ordnung bei dir?«
Einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, ihn zu fragen, wie weit er auf der Suche nach Paps’ Geld in England gekommen war. Doch sie wollte ihn nicht ins Messer laufen lassen. Und sie wollte sich auch keine weiteren Lügen über Beglaubigungen und Übersetzungen anhören. Also legte sie die Karten auf den Tisch. »Smile hat die Kontoauszüge geschickt. Warum hast du so getan, als würdest du das Geld zurückholen, wenn du längst wusstest, wo es ist?«
Sie hörte, wie er durchatmete. »Du weißt also Bescheid. Es tut mir leid. Paps wollte nicht, dass du davon erfährst. Das ist auch der Grund, weshalb er mir das Geld nicht einfach von seinem Girokonto überwiesen hat, sondern den Umweg über das Online-Banking gewählt hat.«
»Deshalb sind also alle Unterlagen zu diesem Konto bei dir.«
»Er wollte das so. Jetzt sei nicht sauer. Du hast es gut gemeint. Aber du hast dich seiner Meinung nach zu sehr in sein Leben eingemischt. Er hat sich von dir gegängelt und kontrolliert gefühlt. Und außerdem dachte er, du würdest auch Geld von ihm wollen, wenn du von der Schenkung erfährst. Franzi hat etwas bekommen und ich. Nur du nicht.«
Clara biss die Zähne aufeinander. Dennoch loderte die Wut in ihr hoch. Sie hatte alles für ihn getan, sogar eine Zeitlang die Haushälterin gegeben. Sie hatte geputzt, gekocht, seinen Dreck weggewischt. Sie hatte ihn zum Arzt gefahren und zu Freunden und zum Seniorentreff. Was immer er wollte, sie hatte sich darum gekümmert. Eine unbezahlte Putzfrau. Und er hatte das genossen. So blieb mehr übrig für Franzi. Und für Achim, erstaunlicherweise. Doch darüber musste der Mantel des Schweigens gebreitet werden. Nicht, dass Clara den Feudel hinschmiss! Ein kleiner Teufel ritt sie. »Es geht um hunderttausend Euro. Ich nehme an, Paps hat dir das Geld nicht einfach nur überwiesen. Gibt es darüber etwas Schriftliches?«
»Willst du die Schenkung etwa anfechten?«
»Ich will lediglich wissen, ob du das schriftlich hast.«
»Natürlich. Ich maile dir eine Kopie. Das Original kannst du jederzeit haben. Die Unterschrift ist echt.«
»Daran zweifle ich doch nicht«, sagte sie versöhnlich.
»Ach Clara, es tut mir leid. Ich hätte mich nicht auf Paps’ Spielchen einlassen sollen. Es wäre besser gewesen, das offen in der Familie zu besprechen. Aber ich habe das Geld gebraucht. Meine Firma ist im letzten Jahr nicht so gut gelaufen. Ich wollte das Haus nicht verlieren. Wir werden uns doch jetzt nicht wegen Geld zerstreiten?«
»Nein. Natürlich nicht.« Sie fühlte sich plötzlich so müde. Sie wollte sich nicht mit ihrem Bruder zerkriegen. Schon gar nicht aus diesem Grund. Wie Paps sie gesehen hatte, tat weh. Sie beendete das Gespräch, nachdem Achim sie noch ein wenig getröstet hatte, und setzte sich an den Schreibtisch. Anstatt zu arbeiten, sah sie jedoch in den Hinterhof. Ein graues Stück Himmel, von Hausdächern eingefasst.
Nur ein paar Tage vor der Alzheimer-Diagnose hatte Paps Achim das Geld geschenkt. Der Verdacht, dass in Wahrheit alles ganz anders gelaufen war, ließ sich nicht unterdrücken. Natürlich war die Unterschrift echt. Achim hatte sie nicht fälschen müssen. Er musste nur einen der schlechten Tage abwarten und Paps hätte ihm alles unterschrieben, auch eine Ernennungsurkunde zum Kaiser von China.
Oder hatte Paps Achim doch aus freien Stücken geholfen? Schließlich hatte er Franzi auch Geld gegeben, damit sie, sein Liebling, ihren Traum vom Café verwirklichen konnte. Achim war sauer gewesen, als er davon erfahren hatte. Er hatte dieselbe Summe gefordert. Doch Paps hatte ihm nichts gegeben. So war er nun mal. Schon immer. Ungerecht. Wobei Gerechtigkeit ja nichts war, das sich ausschließlich in Euro und Cent ausdrücken ließ. Außerdem hatte Paps Achim nicht sonderlich gemocht. Er hatte ihn abgelehnt, spätestens seit er seinen eigenen Weg gegangen war. Ohne Abitur, ohne das man in der Familie Kubisch nichts galt. Angefangen hatte das jedoch schon früher. Vielleicht lag
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