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Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)

Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)

Titel: Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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einen Moment wie ein böses Omen. Sie schob das bedrückende Gefühl beiseite. Heute wollte sie sich amüsieren. In der Waggon-Tür musterte sie ihr Spiegelbild. Es gefiel ihr. Doch, sie sah passabel aus, und der warme Beerenton des neuen Lippenstifts stand ihr gut.
    Am Odeonsplatz stieg sie aus und betrat fünf Minuten nach sechs die Brasserie OskarMaria im Literaturhaus am Salvatorplatz. Beinahe alle Plätze waren besetzt. Gesprächsfetzen schwirrten durch den hohen Raum mit den schlanken Säulen, auf denen ein Tonnengewölbe ruhte. Kaffeeduft hing in der Luft. Ein Kellner kam mit vollem Tablett auf sie zu. Sie wich aus und entdeckte Thore Derr. Er saß an einem Tisch vor einem der raumhohen Fenster, die den Blick auf den Platz freigaben. Nun war sie im Vorteil. Sie kannte sein Bild von der Verlagswebseite, er keines von ihr.
    Es gibt Günstlinge des Glücks oder Schicksals, oder wie immer man diese Kraft nennen mag, dachte Carla, die gelegentlich federführend in unser Leben eingreift und uns dabei keinerlei Macht einräumt. Thore Derr gehörte zu ihnen. Ein Mann, dem es gelungen war, aus seinem Talent etwas zu machen, und der damit erfolgreich war. Außerdem sah er auch noch faszinierend gut aus. Sein aus der Stirn gekämmtes, schulterlanges Haar ließ sie an angeschwemmtes Treibholz denken. Sein markantes Kinn, die vollen Lippen und dunklen Augen eher an einen antiken Krieger, der mit Schwert und Schild die Welt eroberte, als an einen Feingeist, der das mit Worten tat.
    Er sah sich suchend um. Immer wieder schweifte sein Blick zur Tür. Clara genoss es, ihn unerkannt beobachten zu können. Schließlich trafen sich ihre Blicke. Sie wich nicht aus. Seine Augenbrauen stiegen fragend in die Höhe, ein Lächeln erschien, das sie erwiderte, während sie den Tisch ansteuerte und er sich erhob.
    »Clara, wie schön. Ich hatte gehofft, dass ich Sie erkenne. Genau so habe ich Sie mir vorgestellt.« Er reichte ihr die Hand. Sie fühlte sich ein wenig rau an. Auch das passte zu ihm.
    »Ach? Wie denn?«
    »Mit diesem sezierenden Blick. Er passt zu einer Frau, die den Dingen auf den Grund geht, sie auseinandernimmt, die Einzelteile betrachtet und neu zusammensetzt.«
    Clara hätte beinahe gelacht. »Mit dieser Einschätzung liegen Sie grandios falsch.« Jedenfalls was ihr Privatleben betraf. Bei allem, was ihr zu nah war, fehlte ihr die klare Sicht. Zu wenig Distanz, zu viel Harmoniestreben. Sie hängte den Mantel auf und setzte sich.
    Der Kellner kam. Sie bestellten Prosecco und dazu Crostini. Bald drehte sich das Gespräch um Das Schweigen der Fische . Sie verfolgten die Idee weiter, wie Adrian mit einer künstlerischen Rivalin Clarissas ins Bett geht, die ihn ihrerseits benutzt, weil sie annimmt, Adrian habe Einfluss auf den Galeristen, der Clarissa groß herausbrachte. Ein Irrtum. Als sie das bemerkt, lässt sie Adrian fallen. Er ist tief verletzt, seine Eitelkeit maßlos gekränkt.
    »Ein Narzisst«, meinte Clara. »Ich kann mir gut vorstellen, dass bisher in der Beziehung zwischen Clarissa und Adrian eine narzisstische Facette seiner Persönlichkeit eine Rolle gespielt hat, die nun an Raum gewinnt und damit an zerstörerischer Kraft.«
    Thore Derr stützte das Kinn auf und sah sie an. »Sag ich doch: sezierend und analytisch. Wieso liege ich falsch?«
    »Sagen wir so: Sie liegen nur halb richtig.«
    Unverwandt sah er sie an. Seine Augen waren schön, dieses dunkle Braun, in dem einige malachitfarbene Einschlüsse zu tanzen schienen. Diese Lippen … Clara rief sich zur Ordnung. Bilde dir keine Schwachheiten ein.
    Derr wartete, ob sie sich zur anderen Hälfte äußern würde.
    »Bei Romanfiguren sehe ich klarer als im richtigen Leben. Es ist nun mal komplizierter als ein Plot, den man anpassen kann und dessen Figuren formbar sind.«
    »Wenn Sie es könnten, wen würden Sie gerne nach Ihren Vorstellungen zurechtkneten?«
    »Das ist eine Kinderfrage.«
    »Ein Gedankenspiel.«
    »Was soll es bringen? Wir können es nicht.«
    Hannes? Würde sie ihn nach ihren Wünschen formen wollen? Nein. Dieser Zug war abgefahren. Sollte er mit Tanja glücklich werden. Sie trank einen Schluck Prosecco und verkniff sich die Frage, wen denn Derr gerne ändern würde. Die Gefahr war zu groß, auf das Thema Beziehungsstress zu stoßen. Sie wollte noch ein wenig schweben. Also lenkte sie das Gespräch wieder auf Adrian und Clarissa. Sie entwickelten den Plot weiter, loteten die Figuren aus, entwarfen verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Es war,

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