Delete: Thriller (German Edition)
»Bitte lass mich gehen! Ich sage niemandem etwas, ehrlich.«
»Das machst du sehr überzeugend. So, als ob du die Gefangene wärst und nicht ich. Aber ihr könnt mich nicht täuschen!«
»Bitte, Julius! Es ist nicht so, wie du glaubst. Ich bin keine Admin.«
»Natürlich nicht.«
»Du kannst mich doch nicht für den Rest meines Lebens hier gefangen halten!« Sie schluchzte.
»Nein.« Seine Stimme wurde sanft. »Keine Angst, du wirst schon bald aus deinem Gefängnis befreit.«
Sie wagte es nicht, ihm in die Augen zu schauen.
»Was … was meinst du damit?«
»Das Finale!« Er kicherte. »Das Experiment wird enden. Auf die eine oder andere Weise.«
»Willst du … willst du mich umbringen, so wie die anderen?«
Er schwieg einen Moment. Dann seufzte er.
»Im Grunde wäre es das Einfachste, oder? Wir wären beide eine große Sorge los.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Tu es nicht! Bitte!«
»Ich muss schon sagen, du machst deine Sache ziemlich gut«, sagte er in sachlichem Tonfall. »Du hast mich beinahe überzeugt. Du tust mir leid. Wenn du keine von ihnen bist, dann bist du in einer Illusion gefangen. Du hast Angst, obwohl du keine haben musst. Der Tod ist nicht das Ende, es ist der Anfang. Du wirst erwachen. Ich würde dir also nur einen Gefallen tun, dich wecken.«
Sie sagte nichts.
»Aber irgendwie bringe ich es nicht übers Herz.« Seine Stimme wurde leise. »Irgendwelche dummen Instinkte hindern mich daran. Vermutlich seid ihr es, die mir diese Skrupel einimpft. Also bist du doch bloß eine miese kleine Spionin!«
Er hob die Waffe. Sie kauerte sich zusammen, wartete auf das Unvermeidliche. Er senkte die Waffe wieder.
»Du bist … hübsch, weißt du das?«
Ein so heftiges Ekelgefühl überkam sie, dass sie den Brechreiz nur mit Mühe unterdrücken konnte. Sie zitterte am ganzen Körper.
»Du mieses Schwein! Wenn du mich anrührst …«
»Nein, nein, so hab ich das nicht gemeint. Ich bin nicht pervers. Außerdem … selbst, wenn du keine von ihnen wärst … sehen sie uns die ganze Zeit zu.«
Sie überlegte fieberhaft. Wenn er sie nicht umbringen wollte oder konnte, musste es doch irgendeinen Weg geben, ihn davon zu überzeugen, dass er sie freiließ.
»Was … was hast du vor?«
»Kann ich dir trauen?« Er lachte. »Nein, natürlich kann ich das nicht! Also kann ich dir auch nicht sagen, was ich vorhabe. Wenigstens könnt ihr nicht meine Gedanken lesen. Nur so viel: Ich werde dafür sorgen, dass die Welt über mich spricht. Diese und eure auch!«
»Was … was meinst du damit?«
»Das wirst du schon sehen! Lacht ruhig über mich, wenn ihr vor euren Monitoren sitzt. Ihr denkt, ihr habt gewonnen. Aber ihr werdet euch wundern! Ihr werdet euch alle noch wundern!«
47.
Eisenberg schlug die Augen auf. Dicht über ihm wölbte sich ein halbrunder Deckel aus grauem Material mit einem runden Fenster darin, das den Blick auf eine Neonleuchte an der Decke freigab. Er versuchte, den Arm zu heben, doch sein Körper schien gelähmt zu sein. Er konnte nicht einmal den Kopf drehen.
Panik befiel ihn. Wo war er? Was war passiert?
Alles, woran er sich erinnern konnte, war, dass er gestern todmüde in sein Bett in der Pension gefallen war. Das freundliche Angebot seiner Vermieterin, ihm etwas zum Abendessen zu machen, hatte er abgelehnt.
Stimmen erklangen, durch die seltsame Haube über ihm gedämpft, die Eisenberg frappierend an einen Sargdeckel erinnerte.
»Wie läuft es bisher? Hat er schon was gemerkt?«, fragte eine Frau.
»Ich glaube nicht.« Die Stimme klang männlich, ein wenig wie die von Klausen.
»Aber du bist nicht sicher?«
»Ich kann seine Hirnströme messen, aber ich kann nicht seine Gedanken lesen.«
»Wo ist er gerade?«
»Schläft.«
»Bist du sicher? Ich meine, schau dir mal seine Herzfrequenz an …«
»Mist! Er ist wach!«
»Dreh die Anpodrolzufuhr auf! Schnell!«
»Schon passiert. Er wird gleich wieder …«
Eisenberg schreckte hoch. Sein Herz raste. Er sah sich um. Der Wecker zeigte Viertel nach drei. Er lag lange da und versuchte, den Albtraum zu vergessen. Doch obwohl seine Glieder bleischwer waren, gelang es ihm nicht, zur Ruhe zu kommen und wieder einzuschlafen.
Um fünf Uhr gab er es auf, duschte, frühstückte in einem Schnellrestaurant, das rund um die Uhr geöffnet hatte, und war bereits um sechs im Büro. Er sah die internen Nachrichten durch, doch es gab keine Hinweise darauf, dass jemand gefasst worden war, auf den die Beschreibung des Täters passte. Die
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